fünf - sieben
Das Leben ist eine Brücke. Gehe über sie hinweg, aber baue kein Haus darauf.
Dieses indische Sprichwort habe ich bei Bruce Chatwin (wie ich 1940 geboren, nicht immer ganz zuverlässig!)
gefunden und es will mir nicht aus dem Kopf.
Und auch diese Geschichte hat Chatwin erzählt:
Eine Expedition eilt wegen einer Terminabsprache mit hohem Tempo durch den afrikanischen Busch. An einer
Stelle stoppen die Träger und sind durch keine Versprechungen mehr zum Weitergehen zu bewegen.
Ein Mitglied der Trägergruppe sagt: Wir sind zu schnell gegangen und müssen jetzt warten, bis unsere Seelen uns eingeholt haben.
So geht es mir im Augenblick, zwar zupft bereits viel Gegenwärtiges an mir, aber ich bin noch nicht ganz da. Und der erste Satz sagt unscharf etwas über das "dort, wo ich bin". Ich bin noch auf der Brücke ...
Dienstag, 7. Juli 2009
Von Albi nach Würzburg
vier - sieben
Hotels mögen hoch in den Sternen schweben, haben aber die Erdung verloren ...
Das "Mercure" in Albi ist so ein fehlbeseeltes Haus. Scheinbar großzügig, stören doch die gschlamberten Details: Da kann man die Vorhänge nicht öffnen, dort knattert ein Wasserhahn erst nach deutlichen Ermahnungen, die Glühbirne der Bettbeleuchtung ist kaputt, die Fernsehprogramme erneuerungsbedürftig. Ein gutes Hotel kann man u. a. daran erkennen, ob es und welche Leistungen kostenfrei bereithält und wie die kleinen Dinge gehandelt werden. Ein großzügiges Konzept kriegen alle hin, es aber konsequent umzusetzen, das ist Fieselarbeit, für die vom Direktor bis zum Küchenjungen Überzeugungsarbeit erforderlich ist.
Ich bin dort ohne Frühstück und in Kriegsstimmung ausgezogen: Die Welt kann noch besser werden.
Das wunderbare Licht der Morgensonne und die Einfahrt in die dramatische Auvergne haben mich besänftigt.
An Rodez - der Bischofsstadt, zu der Conques gehört - vorbei entscheide ich mich, über Clermont-Ferrand (Stammsitz von Michelin) nach Moulins zu fahren, von dort ins Saone-Rhône-Tal zu queren, um über Mulhouse, Freiburg und Karlsruhe schließlich Würzburg zu erreichen. Das sind zwar über 1100 Kilometer, aber gegen das Ende, wo ich sehr müde sein werde, wäre ich dann schon fast daheim. Das könnte hilfreich sein und Reserven wecken. Die Strecke über Paris wäre um hunderte von Kilometern kürzer gewesen. Habe ich später nachgemessen. Zu spät.
Tatsächlich komme ich gut voran, die Maschine ist brav, irritiert mich aber doch durch erneutes Geklapper. Vielleicht höre ich aber nur die Flöhe husten. In der Raststätte Beaune kaufe ich einen Liter Motorradöl. Der versenkt sich ganz schnell im Innern der Maschine. Und ich verkündige hiermit, dass jetzt gegen das Ende der Fahrt, das Fahren mit der CBX erstmals richtig Spass macht. Motorradmäßig haben diese letzten 700 KM am meisten Spaß gemacht.
Hier in Beaune treffe ich auch zwei junge Leute, die per Autostop durch Frankreich stromern. Der eine, Schüler, der andere vielleicht Student, beide repräsentieren eine der Hauptrichtungen, die ich auch beim Camino oft angetroffen habe: Suche nach Orientierungen, sehr nebulös zunächst, aber da steckt so eine Art Hoffnung drin. Alles und natürlich auch mit hohem Unterhaltungswert. Das Unerwartete meistern, mit brenzligen Situationen fertig werden ...
Die beiden helfen mir, das Moped auf den Hauptständer zu ziehen, sodass ich das Öl einfüllen kann. Und es wieder runterzudrücken, damit ich weiterfahren kann. Sie bieten mir Obst an, was aber dann irgendwie untergeht im Abschiedsgefecht. Sie wollen noch weiter. Wohin? Das entscheiden die Autofahrer, die sie mitnehmen. Nur eine allgemeine Richtung wird vorgezogen, Osten, aber ich nehme an, wenn ein attraktives Ziel winkt, dann fahren sie mit. Ist das ein Vertrauen in einen Sinn im scheinbar Zufälligen? Wir kommen auf das Weltkulturerbe, von dem unser Europa so reich möbliert ist. Zum ersten Mal habe ich den Eindruck, dass die Objekte der Liste einen Zeitumschlag darstellen, eine Art Bahnhof für das Handeln in und das Denken über Zeiten. Meine Gesprächspartner zeigen sich interessiert, aber für alle wird es Zeit ans Weiterkommen zu denken. Beide sind irgendwann Kandidaten für ein Ziel wie Santiago. Meldet Euch!
Es wird Abend. Am Himmel lässt sich ablesen, dass von Nord-Ost eine Gewitterfront naht. Dorthin will ich aber und deshalb ziehe ich unter einer Brücke wieder mal die Regenkombi (das Ganzkörperkondom) über mich. Jetzt und in alle Zukunft in der Erwartung, dass beim Auftauchen aus dem Sichtloch die Polizei vor mir steht. Dies Ereignis bleibt jedoch aus.
Dann fahre ich mit finsterer Entschlossenheit zwei Stunden lang hinter den Regen, schließlich ists geschafft. Die nächste ganz neue, etwas hippige Raststätte, mit Wassermann-Musik auf den Toiletten und auch sonst "öko", etwa bei Besancon sieht mich getrocknet und noch aufgeräumt. Vor allem warm.
Dennoch geht der Kampf gegen die Müdigkeit jetzt los. Die Pausen werden länger, die Fahrstrecken kürzer. Schon fast daheim mache ich oberhalb Heidingsfeld nochmal Pause. Weil ich an der letzten Ampel fast vergessen habe, die Füsse runterzustellen. Hinter mir steht ein Lastwagen. Schrecken empfinde ich nicht, dazu habe ich keine Energie mehr.
Punkt sechs stelle ich das Moped in der Garage, die Edith zuvor geräumt hat, ab. Dem Datum folgend bin ich nach genau fünf Wochen wieder zuhause. Die Seele ist noch unterwegs.
Hotels mögen hoch in den Sternen schweben, haben aber die Erdung verloren ...
Das "Mercure" in Albi ist so ein fehlbeseeltes Haus. Scheinbar großzügig, stören doch die gschlamberten Details: Da kann man die Vorhänge nicht öffnen, dort knattert ein Wasserhahn erst nach deutlichen Ermahnungen, die Glühbirne der Bettbeleuchtung ist kaputt, die Fernsehprogramme erneuerungsbedürftig. Ein gutes Hotel kann man u. a. daran erkennen, ob es und welche Leistungen kostenfrei bereithält und wie die kleinen Dinge gehandelt werden. Ein großzügiges Konzept kriegen alle hin, es aber konsequent umzusetzen, das ist Fieselarbeit, für die vom Direktor bis zum Küchenjungen Überzeugungsarbeit erforderlich ist.
Ich bin dort ohne Frühstück und in Kriegsstimmung ausgezogen: Die Welt kann noch besser werden.
Das wunderbare Licht der Morgensonne und die Einfahrt in die dramatische Auvergne haben mich besänftigt.
An Rodez - der Bischofsstadt, zu der Conques gehört - vorbei entscheide ich mich, über Clermont-Ferrand (Stammsitz von Michelin) nach Moulins zu fahren, von dort ins Saone-Rhône-Tal zu queren, um über Mulhouse, Freiburg und Karlsruhe schließlich Würzburg zu erreichen. Das sind zwar über 1100 Kilometer, aber gegen das Ende, wo ich sehr müde sein werde, wäre ich dann schon fast daheim. Das könnte hilfreich sein und Reserven wecken. Die Strecke über Paris wäre um hunderte von Kilometern kürzer gewesen. Habe ich später nachgemessen. Zu spät.
Tatsächlich komme ich gut voran, die Maschine ist brav, irritiert mich aber doch durch erneutes Geklapper. Vielleicht höre ich aber nur die Flöhe husten. In der Raststätte Beaune kaufe ich einen Liter Motorradöl. Der versenkt sich ganz schnell im Innern der Maschine. Und ich verkündige hiermit, dass jetzt gegen das Ende der Fahrt, das Fahren mit der CBX erstmals richtig Spass macht. Motorradmäßig haben diese letzten 700 KM am meisten Spaß gemacht.
Hier in Beaune treffe ich auch zwei junge Leute, die per Autostop durch Frankreich stromern. Der eine, Schüler, der andere vielleicht Student, beide repräsentieren eine der Hauptrichtungen, die ich auch beim Camino oft angetroffen habe: Suche nach Orientierungen, sehr nebulös zunächst, aber da steckt so eine Art Hoffnung drin. Alles und natürlich auch mit hohem Unterhaltungswert. Das Unerwartete meistern, mit brenzligen Situationen fertig werden ...
Die beiden helfen mir, das Moped auf den Hauptständer zu ziehen, sodass ich das Öl einfüllen kann. Und es wieder runterzudrücken, damit ich weiterfahren kann. Sie bieten mir Obst an, was aber dann irgendwie untergeht im Abschiedsgefecht. Sie wollen noch weiter. Wohin? Das entscheiden die Autofahrer, die sie mitnehmen. Nur eine allgemeine Richtung wird vorgezogen, Osten, aber ich nehme an, wenn ein attraktives Ziel winkt, dann fahren sie mit. Ist das ein Vertrauen in einen Sinn im scheinbar Zufälligen? Wir kommen auf das Weltkulturerbe, von dem unser Europa so reich möbliert ist. Zum ersten Mal habe ich den Eindruck, dass die Objekte der Liste einen Zeitumschlag darstellen, eine Art Bahnhof für das Handeln in und das Denken über Zeiten. Meine Gesprächspartner zeigen sich interessiert, aber für alle wird es Zeit ans Weiterkommen zu denken. Beide sind irgendwann Kandidaten für ein Ziel wie Santiago. Meldet Euch!
Es wird Abend. Am Himmel lässt sich ablesen, dass von Nord-Ost eine Gewitterfront naht. Dorthin will ich aber und deshalb ziehe ich unter einer Brücke wieder mal die Regenkombi (das Ganzkörperkondom) über mich. Jetzt und in alle Zukunft in der Erwartung, dass beim Auftauchen aus dem Sichtloch die Polizei vor mir steht. Dies Ereignis bleibt jedoch aus.
Dann fahre ich mit finsterer Entschlossenheit zwei Stunden lang hinter den Regen, schließlich ists geschafft. Die nächste ganz neue, etwas hippige Raststätte, mit Wassermann-Musik auf den Toiletten und auch sonst "öko", etwa bei Besancon sieht mich getrocknet und noch aufgeräumt. Vor allem warm.
Dennoch geht der Kampf gegen die Müdigkeit jetzt los. Die Pausen werden länger, die Fahrstrecken kürzer. Schon fast daheim mache ich oberhalb Heidingsfeld nochmal Pause. Weil ich an der letzten Ampel fast vergessen habe, die Füsse runterzustellen. Hinter mir steht ein Lastwagen. Schrecken empfinde ich nicht, dazu habe ich keine Energie mehr.
Punkt sechs stelle ich das Moped in der Garage, die Edith zuvor geräumt hat, ab. Dem Datum folgend bin ich nach genau fünf Wochen wieder zuhause. Die Seele ist noch unterwegs.
Von San Sebastian nach Albi
drei - sieben
Mir ist als wünsche das "Hotel ETH Irun Bizkaia" meinen schnellstmöglichen Abzug. Niemand nimmt mich grüßend zur Kenntnis, als ich den Caddy hole, belade, wieder abstelle. Niemand fragt, ob ich ein Frühstück will. Kein Danke bei Abgabe der Beleuchtungskarte und kommentarloses Annehmen des Zimmerschlüssels. Ich registriere ein unterschwellige Feindseligkeit. Mag sein, dass man hier Gäste wie mich nicht besonders mag. Aber baskische Gastfreundschaft kann das nicht sein. Draußen hat eine Kran-Mannschaft mein Motorrad so zugestellt, dass ich nicht einmal an die Maschine herankomme. Bevor ich protestieren kann, kommt der Monteur mit der Kran-Fernbedienung auf mich zu und sagt mir, wie das jetzt weitergeht. Mit einem einzigen Befehl wird der Weg zur CBX freigemacht, ich kann beladen und dem hilfreichen Monteur, weil er offenbar mit einem Mitarbeiter darüber uneins ist, die wichtigsten Daten zur Maschine sagen. Ihn beeindruckt die gute Optik der alten Maschine und als ich eine halbe Stunde später wegfahre, lässt er die letzten Hindernisse wegräumen und brüllt mir ein Ultreja zu.
Doch noch ein freundlicher Baske.
Ich fahre auf der Autobahn in Richtung Pau/Lourdes und Toulouse, das alte Tolosa, Hauptstadt der Westgoten. Beim Autobahnfahren entwickelt das Gehör, weil es Zeit zur Analyse hat und ohnehin ein wunderbares Instrument ist, ein Kontrollschema, dem alles ungewöhnliche auffällt. Mir fällt auf, dass der Kardan klappert, ein bißchen nur, aber mir zuviel. Dieses Geklapper nimmt zu. Ich verlasse die Autobahn bei Pau und finde einen sehr freundlichen Motorradmechano. Der stellt Ölmangel fest und füllt ordentlich rein. Das Problem ist beseitigt. Wieder auf der autobahn hellt sich das Wetter vollends auf, wird warm. Irgendwann lege ich mich auf die schattige Bank einer Rastanlage. Da habe ich fast zwei Stunden Frust und inneren Kram weggeschlafen. Ich wurde von einer dünnen, langen Frau mit einem winzigen Hund geweckt, die gerne am Tisch ein "PiqueNique" aufgebaut hätte. Da Rastbänke im allgemeinen eher zum Sitzen gedacht sind, habe ich diesem Ansinnen stattgegeben. Sitzend, nicht ohne meinerseits eine Flasche Erdbeerjoghurt, einen Rest Baguette, ein Stück Emmentaler, eine Tomate, ein Döschen Biberacher Kräutersalz, mehrere Hotelkonfitüren, zwei Hotelseifen, mehrere Bütterle und ... eine halbe Halbflasche Rioja aufzutragen. Zusammen mit meiner Haushaltsdose habe ich ein Drittel Tisch gebraucht. Es hat majestätisch ausgesehen. Ich war so sehr mit mir beschäftigt, dass mir entgangen ist, dass der Hund mit der Frau einen anderen Tisch gefunden hat ...
Sich im Tolosaner Autobahnsystem zurechtzufinden ist eine Geduldssache. Ich orientiere mich an "Albi" und gelinge auch (réussir à), die Ausfahrt zu treffen. Dort fahre ich aus und finde schließlich das schönste Hotel, das Mercure, nehme ein Zimmer. Ich richte mich ein und sehe mich in der hereinbrechenden Nacht ein wenig in der legenden-umwobenen Stadt der Albigenser um. An der höchsten Stelle die Kathedrale, eher die XXL-Ausgabe eines Bastidenturms, so wachsen die Ziegelmauern in flachen Kreissegmenten aus den Fundamenten in schwindelnde Höhen. Ebenso ein martialischer Turm. Das Bauwerk hat sehr viel Ähnlichkeit mit einem Raiffeisen-Getreidespeicher.
Nach zwei Bier bin ich schon sehr schlafbedürftig und versenke mich im Hotel.
Mir ist als wünsche das "Hotel ETH Irun Bizkaia" meinen schnellstmöglichen Abzug. Niemand nimmt mich grüßend zur Kenntnis, als ich den Caddy hole, belade, wieder abstelle. Niemand fragt, ob ich ein Frühstück will. Kein Danke bei Abgabe der Beleuchtungskarte und kommentarloses Annehmen des Zimmerschlüssels. Ich registriere ein unterschwellige Feindseligkeit. Mag sein, dass man hier Gäste wie mich nicht besonders mag. Aber baskische Gastfreundschaft kann das nicht sein. Draußen hat eine Kran-Mannschaft mein Motorrad so zugestellt, dass ich nicht einmal an die Maschine herankomme. Bevor ich protestieren kann, kommt der Monteur mit der Kran-Fernbedienung auf mich zu und sagt mir, wie das jetzt weitergeht. Mit einem einzigen Befehl wird der Weg zur CBX freigemacht, ich kann beladen und dem hilfreichen Monteur, weil er offenbar mit einem Mitarbeiter darüber uneins ist, die wichtigsten Daten zur Maschine sagen. Ihn beeindruckt die gute Optik der alten Maschine und als ich eine halbe Stunde später wegfahre, lässt er die letzten Hindernisse wegräumen und brüllt mir ein Ultreja zu.
Doch noch ein freundlicher Baske.
Ich fahre auf der Autobahn in Richtung Pau/Lourdes und Toulouse, das alte Tolosa, Hauptstadt der Westgoten. Beim Autobahnfahren entwickelt das Gehör, weil es Zeit zur Analyse hat und ohnehin ein wunderbares Instrument ist, ein Kontrollschema, dem alles ungewöhnliche auffällt. Mir fällt auf, dass der Kardan klappert, ein bißchen nur, aber mir zuviel. Dieses Geklapper nimmt zu. Ich verlasse die Autobahn bei Pau und finde einen sehr freundlichen Motorradmechano. Der stellt Ölmangel fest und füllt ordentlich rein. Das Problem ist beseitigt. Wieder auf der autobahn hellt sich das Wetter vollends auf, wird warm. Irgendwann lege ich mich auf die schattige Bank einer Rastanlage. Da habe ich fast zwei Stunden Frust und inneren Kram weggeschlafen. Ich wurde von einer dünnen, langen Frau mit einem winzigen Hund geweckt, die gerne am Tisch ein "PiqueNique" aufgebaut hätte. Da Rastbänke im allgemeinen eher zum Sitzen gedacht sind, habe ich diesem Ansinnen stattgegeben. Sitzend, nicht ohne meinerseits eine Flasche Erdbeerjoghurt, einen Rest Baguette, ein Stück Emmentaler, eine Tomate, ein Döschen Biberacher Kräutersalz, mehrere Hotelkonfitüren, zwei Hotelseifen, mehrere Bütterle und ... eine halbe Halbflasche Rioja aufzutragen. Zusammen mit meiner Haushaltsdose habe ich ein Drittel Tisch gebraucht. Es hat majestätisch ausgesehen. Ich war so sehr mit mir beschäftigt, dass mir entgangen ist, dass der Hund mit der Frau einen anderen Tisch gefunden hat ...
Sich im Tolosaner Autobahnsystem zurechtzufinden ist eine Geduldssache. Ich orientiere mich an "Albi" und gelinge auch (réussir à), die Ausfahrt zu treffen. Dort fahre ich aus und finde schließlich das schönste Hotel, das Mercure, nehme ein Zimmer. Ich richte mich ein und sehe mich in der hereinbrechenden Nacht ein wenig in der legenden-umwobenen Stadt der Albigenser um. An der höchsten Stelle die Kathedrale, eher die XXL-Ausgabe eines Bastidenturms, so wachsen die Ziegelmauern in flachen Kreissegmenten aus den Fundamenten in schwindelnde Höhen. Ebenso ein martialischer Turm. Das Bauwerk hat sehr viel Ähnlichkeit mit einem Raiffeisen-Getreidespeicher.
Nach zwei Bier bin ich schon sehr schlafbedürftig und versenke mich im Hotel.
Von Sarria nach San Sebastian (Reise)
noch einmal: zwei - sieben
Gérard Rivière und ich stehen noch mal in der Hotellobby. Wir wissen, dass wir ein Stück weit zusammen wandern könnten. Er bleibt wegen seines kranken Fusses noch einen Tag. Aber dieses Mal will er in Santiago ankommen. Er schließt nicht aus, dass hinter den Ergebnissen der Wissenschaft ganz andere Erklärungswirklichkeiten stecken, meint aber, dass Religion den Zugang eher verschließen als ihn öffnet. Meine Überzeugung, dass Religion einen grundsätzlich umfassenden Ansatz darstellt, dem Wissenschaft weit hinterher hinkt, gefällt ihm nicht besonders. Immerhin hält sich sein Amusement in Grenzen, weil er bei meinem Kenntnisstand in Sachen Kosmologie keinen echten Vorteil ausmacht.
Wir brechen das Gespräch ab und werden es in Paris fortführen.
Aus Sarria herauszukommen ist gar nicht so leicht, schließlich klappt es aber doch und dann geht es über Kloster Samos hinauf zum O Cebreiro - eine Passkette um 1300 Höhenmeter - dann hinunter nach Astorga. Dort mache ich etwas Gaudi-Gedenk-Pause und erinnere mich, dass der Camino Frances seinen Namen von den französischen Siedlern hat, die die Herrscher über lange Zeit den Weg entlang ansiedeln wollten. Vielleicht war Astorga der erste Platz, der damit in Zusammenhang gebracht wurde. In dem (unvollendeten, ehemaligen) Bischofspalast befindet sich heute ein Museum zur Geschichte der Santiago-Pilgerschaft. Ich halte dann erst wieder in Carrion de los Condes. Die Landschaft der Meseta hat etwas grandioses. Über schier endlosen Horizonten ein flacher spannungsloser Himmel von tief- bis blassblau. Die jetzt abgeernteten Felder parzellieren den Boden zwischen Goldgelb und Rot, wenn die Eggen bereits den Boden aufgerissen haben. Dazwischen Felskomplexe, ein kleiner Burgort mit Kirche oder sogar etwas Wald. Und dieses stundenlang. Seit Pamplona heißt diese Strasse Autovia del Camino de Santiago. Damit werden die Autoreisenden bewusst als (moderne?) Pilger angesprochen. An anderen Strassen tiefer im Land steht schon mal: Achtung Santiago-Pilger kreuzen! Hier aber kreuzt nix! Kostet aber auch nix.
Burgos zur Rechten liegen lassend gehts nach Nord-Ost und schließlich steil nach Norden, nach Bilbao. Zur Linken eine sich abflachende Gebirgskette und darüber schwere schwarze Wolken. Schon 30 KM zuvor hat es angefangen zu nebeln, zu regnen und zu stürmen. Ein Weiterkommen ist schließlich unmöglich. Ich verschanze mich in einer Raststätte und nehme einen sich selbst erhitzenden Kaffee von Nes zu mir. Man drückt am Boden auf eine Wölbung und nach 40 Sekunden ist der Kaffee heiß. Dafür schmeckt er überhaupt nicht und die Flüssigkeit ist einfach zu wenig. Das Drumherum ist klobig und nur technisch interessant. Ein Mann um die knapp 40 wummert mit Harley an die Zapfsäule. Wir kommen über das Wetter ins Gespräch und verwandeln uns vor den Augen der obersten Benzinhüterin in Mondgespenster. Da bei mir alles etwas langsamer geht, komme ich erst bei Einbruch der Dunkelheit vom Acker. Es ist etwa 20 Uhr. Nebel und dünner Regen setzen erneut und mit durchdringender Macht ein, die Reisegeschwindigkeit geht gegen null. Dennoch komme ich um halbelf in Bilbao an und lande ohne es zu wissen mitten im Guggenheim-Museum. Ich lasse schließlich die Maschine bei einer menschenleeren Parkanlage stehen, rutsche eine Brücke hoch und bestaune das Bauwerk Frank O. Gehrys in nächtlicher nasser Beleuchtung.
Neben mir steht ein junger Russe. Nach einigen Sprachversuchen einigen wir uns auf englisch. Seine Schlussfrage war: Wieviel Zeit hast Du dir für Bilbao genommen? Ich sage: 30 Minuten. Er bekommt einen Lachanfall ...
In einem Raststätten-Café zurück in Richtung Autobahn höre ich, dass der Regen von San Sebastian her aufgehört hat. Der Mann der guten Nachricht möchte mir zu einem Hotelzimmer verhelfen. Er scheitert kläglich. Mittlerweile ist es schwarze Nacht. Ich fahre in Richtung San Sebastian. Lange zuvor endet die Autobahn. Der Regen hält an. Seit Tagen malträtiert mich eine Blasenentzündung, weshalb ich alle halbe Stunde von der Maschine runter muss. Die Suche nach einer geeigneten Stellfläche, der Drang und die Nässe ergeben einen einzigartigen Erlebniszusam-menhang. An der letzten Mautstelle bekomme ich den Hinweis auf ein Hotel mit freien Zimmern. Ich finde das Haus, stelle die Maschine ab und man öffnet mir das Portal.
Das unbeschreibliche Desinteresse der jungen Frau hinter der Theke an dem seltsamen Gast und seinen Nöten nachts um halbdrei gehört in das Lehrbuch für Empfangspersonal. Falls dieses baskische Gastfreundschaft darstellt, dann, ihr Lieben, muss ich Euch abraten, unter schwierigen Umständen dorten Hilfe zu erwarten. Gerne schildere ich, was da vor der Theke steht: Ein triefendes und unförmiges Unglücksgebilde in einem signalroten Regenanzug, kaum als Mensch auszumachen, weil der Helm um der Gefahr der Kopfexplosion willen noch aufsitzend, seitlich durch ein Nylontuch gedichtet, unten das struppige Kinn, die Brille weißlich angelaufen, mit konvulsivischen Bewegungen gegen das klopfende Pinkelbedürfnis, von innen heraus sich aufschwitzend. Ein Ei wird auf Dauer hart gekocht, ich aber wurde weichgekocht. Vor dem Spiegel werde ich nachher aussehen wie eine der Tatortleichen auf dem Untersuchungsschragen. Ich soll ein Melde-Formular ausfüllen, meinen Ausweis zeigen, eine Unterschrift leisten, mein Motorrad da wegstellen und zum Transport einen Caddy mitnehmen und bitte sofort bezahlen. Habt Acht vor dem ETH Hotel bei San Sebastian! immerhin gestehe ich, dass ich bei allem Elend sicher zum Fürchten ausgesehen haben muss.
Aber ich habe ein Bett, wenn auch keinen Rotwein.
Gérard Rivière und ich stehen noch mal in der Hotellobby. Wir wissen, dass wir ein Stück weit zusammen wandern könnten. Er bleibt wegen seines kranken Fusses noch einen Tag. Aber dieses Mal will er in Santiago ankommen. Er schließt nicht aus, dass hinter den Ergebnissen der Wissenschaft ganz andere Erklärungswirklichkeiten stecken, meint aber, dass Religion den Zugang eher verschließen als ihn öffnet. Meine Überzeugung, dass Religion einen grundsätzlich umfassenden Ansatz darstellt, dem Wissenschaft weit hinterher hinkt, gefällt ihm nicht besonders. Immerhin hält sich sein Amusement in Grenzen, weil er bei meinem Kenntnisstand in Sachen Kosmologie keinen echten Vorteil ausmacht.
Wir brechen das Gespräch ab und werden es in Paris fortführen.
Aus Sarria herauszukommen ist gar nicht so leicht, schließlich klappt es aber doch und dann geht es über Kloster Samos hinauf zum O Cebreiro - eine Passkette um 1300 Höhenmeter - dann hinunter nach Astorga. Dort mache ich etwas Gaudi-Gedenk-Pause und erinnere mich, dass der Camino Frances seinen Namen von den französischen Siedlern hat, die die Herrscher über lange Zeit den Weg entlang ansiedeln wollten. Vielleicht war Astorga der erste Platz, der damit in Zusammenhang gebracht wurde. In dem (unvollendeten, ehemaligen) Bischofspalast befindet sich heute ein Museum zur Geschichte der Santiago-Pilgerschaft. Ich halte dann erst wieder in Carrion de los Condes. Die Landschaft der Meseta hat etwas grandioses. Über schier endlosen Horizonten ein flacher spannungsloser Himmel von tief- bis blassblau. Die jetzt abgeernteten Felder parzellieren den Boden zwischen Goldgelb und Rot, wenn die Eggen bereits den Boden aufgerissen haben. Dazwischen Felskomplexe, ein kleiner Burgort mit Kirche oder sogar etwas Wald. Und dieses stundenlang. Seit Pamplona heißt diese Strasse Autovia del Camino de Santiago. Damit werden die Autoreisenden bewusst als (moderne?) Pilger angesprochen. An anderen Strassen tiefer im Land steht schon mal: Achtung Santiago-Pilger kreuzen! Hier aber kreuzt nix! Kostet aber auch nix.
Burgos zur Rechten liegen lassend gehts nach Nord-Ost und schließlich steil nach Norden, nach Bilbao. Zur Linken eine sich abflachende Gebirgskette und darüber schwere schwarze Wolken. Schon 30 KM zuvor hat es angefangen zu nebeln, zu regnen und zu stürmen. Ein Weiterkommen ist schließlich unmöglich. Ich verschanze mich in einer Raststätte und nehme einen sich selbst erhitzenden Kaffee von Nes zu mir. Man drückt am Boden auf eine Wölbung und nach 40 Sekunden ist der Kaffee heiß. Dafür schmeckt er überhaupt nicht und die Flüssigkeit ist einfach zu wenig. Das Drumherum ist klobig und nur technisch interessant. Ein Mann um die knapp 40 wummert mit Harley an die Zapfsäule. Wir kommen über das Wetter ins Gespräch und verwandeln uns vor den Augen der obersten Benzinhüterin in Mondgespenster. Da bei mir alles etwas langsamer geht, komme ich erst bei Einbruch der Dunkelheit vom Acker. Es ist etwa 20 Uhr. Nebel und dünner Regen setzen erneut und mit durchdringender Macht ein, die Reisegeschwindigkeit geht gegen null. Dennoch komme ich um halbelf in Bilbao an und lande ohne es zu wissen mitten im Guggenheim-Museum. Ich lasse schließlich die Maschine bei einer menschenleeren Parkanlage stehen, rutsche eine Brücke hoch und bestaune das Bauwerk Frank O. Gehrys in nächtlicher nasser Beleuchtung.
Neben mir steht ein junger Russe. Nach einigen Sprachversuchen einigen wir uns auf englisch. Seine Schlussfrage war: Wieviel Zeit hast Du dir für Bilbao genommen? Ich sage: 30 Minuten. Er bekommt einen Lachanfall ...
In einem Raststätten-Café zurück in Richtung Autobahn höre ich, dass der Regen von San Sebastian her aufgehört hat. Der Mann der guten Nachricht möchte mir zu einem Hotelzimmer verhelfen. Er scheitert kläglich. Mittlerweile ist es schwarze Nacht. Ich fahre in Richtung San Sebastian. Lange zuvor endet die Autobahn. Der Regen hält an. Seit Tagen malträtiert mich eine Blasenentzündung, weshalb ich alle halbe Stunde von der Maschine runter muss. Die Suche nach einer geeigneten Stellfläche, der Drang und die Nässe ergeben einen einzigartigen Erlebniszusam-menhang. An der letzten Mautstelle bekomme ich den Hinweis auf ein Hotel mit freien Zimmern. Ich finde das Haus, stelle die Maschine ab und man öffnet mir das Portal.
Das unbeschreibliche Desinteresse der jungen Frau hinter der Theke an dem seltsamen Gast und seinen Nöten nachts um halbdrei gehört in das Lehrbuch für Empfangspersonal. Falls dieses baskische Gastfreundschaft darstellt, dann, ihr Lieben, muss ich Euch abraten, unter schwierigen Umständen dorten Hilfe zu erwarten. Gerne schildere ich, was da vor der Theke steht: Ein triefendes und unförmiges Unglücksgebilde in einem signalroten Regenanzug, kaum als Mensch auszumachen, weil der Helm um der Gefahr der Kopfexplosion willen noch aufsitzend, seitlich durch ein Nylontuch gedichtet, unten das struppige Kinn, die Brille weißlich angelaufen, mit konvulsivischen Bewegungen gegen das klopfende Pinkelbedürfnis, von innen heraus sich aufschwitzend. Ein Ei wird auf Dauer hart gekocht, ich aber wurde weichgekocht. Vor dem Spiegel werde ich nachher aussehen wie eine der Tatortleichen auf dem Untersuchungsschragen. Ich soll ein Melde-Formular ausfüllen, meinen Ausweis zeigen, eine Unterschrift leisten, mein Motorrad da wegstellen und zum Transport einen Caddy mitnehmen und bitte sofort bezahlen. Habt Acht vor dem ETH Hotel bei San Sebastian! immerhin gestehe ich, dass ich bei allem Elend sicher zum Fürchten ausgesehen haben muss.
Aber ich habe ein Bett, wenn auch keinen Rotwein.
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