Samstag, 6. Juni 2009

Im Melchtal und in Flüeli/Ranft

Drei-sechs

Weil ich zu spät zum Frühstück komme, steht zunächst nur kalter Kaffee auf dem Tisch. Das ändert sich, nachdem ich wieder Zugang zu meinen Sachen habe und mit geordneten Haaren die Bühne der (Kloster-) Welt betrete. Da die Schlüsselverwechslung samt Folgen bei den Schwestern von St. Agnes bislang einzigartig ist, bewohne ich auch für die nächste Nacht zwei Zimmer, eben eins zum Schlafen und eins für den Rest.
Ich telefoniere mit Edith: Walter ist gut an- und zur Vernunft zurückgekommen. Es ist müssig zu bedenken, wie der Abend und die kommenden Tage verlaufen wären, mit den Kirchen, den kleinen Unteretappen, mit den Themen. Wichtig: Wir haben es versucht.
Das Display meiner Camera zeigt zu meiner Verblüffung nur einen gebrochenen Strich. Obwohl ich damit Aufnahmen durch den Sucher machen kann, erwerbe ich eine kleine Nikon neuester Technik in blau. Es ist eigentlich Ediths Camera und nur ausgeliehen!
Schließlich habe ich auch eine Uhr fürs Motorrad, die alte Bergmann mit einer neuen Batterie versorgen lassen. Die beiden Asiatinnen an der Luzerner Nobelmeile, eine Chinesin und eine Kambodjanerin, waren nicht nur freundlich, sondern auch sehr ansehnlich. Nach einem „15 Franken? Geht das für Sie in Ordnung?“ mache ich offensichtlich das richtige Gesicht. Sie macht es für 10 Franken!
Schnelle Einschätzung, schnelles kleineres Geschäft besser als gar keins!
Auf dem Weg zu Foto-Ecker komme ich an mindestens 30 hochkarätigen Uhrengeschäften vorbei. Die neuen Käufer sind vor allem Chinesen! Wer hätte das vor 10 Jahren gedacht!
Um 12 bin ich wieder in St. Agnes, trockne mich ein wenig aus und schreibe noch ein wenig,
Die Caféteria hat mittlerweile geschlossen, der Flüssigkeitsnachschub muss also warten.
Kurz vor zwei ist die Pforte der Kapuziner noch nicht aktiv, aber nach der Aktivierung meiner Maschine kann Dietrich Wiederkehr doch kontaktiert werden. Er kann den Computer-Bruder dazu bewegen, meinen Text in das Blog zu stellen.
Nach einigen weiteren Hinweisen fahre ich an den Sarner See, von dort nach St. Niklausen im Melchtal. Am Fuß des tausendjährigen Turms hat sich eine kleine Familie aus Freiburg niedergelassen. Sie ist in Flüeli untergebracht, aber trotz der einmaligen Landschaft mit den Schweizern übers Kreuz geraten. Was den Touris abgeknöpft wird, so finden sie, ist schamlos. Ich denke mir, dass das in den wohlhabenden Ländern immer so ist. Man kann durch solide Planung diese ärgerlichen Nebenausgaben begrenzen! Ich höre: Besserwisser, du packst ja nicht unter Zeitdruck ...
Die Fresken im Chor der Kapelle wären sensationell, wenn sie noch original wären. So aber hat man die Restaurierung restauriert, der Machart nur teilweise rekonstruiert werden kann. Stilistisch wirken sie sehr homogen und eindrucksvoll. Dank eines sorgfältig gemachten Führers lassen sich die Felder gut zuordnen, Jesus- und Heiligenlegenden leicht interpretieren und einer byzantinischen Tradition zuordnen. Die Farben sind warm und werden durch bedämpfte Fenster nur wenig überstrahlt. Das erleichtert das Fotografieren. Draußen ist es warm, das Gras duftet nach Weite. Von der Weite des Blicks bis an die Schneegipfel hinauf wird einem fast schwindelig.
Auf der anderen Seite beginnt die Ranft, der Lebensraum von Bruder Klaus. Die letzte Strecke zu Zelle und Kapelle geht nur zu Fuß. Für uns heutige fast unglaublich: Die Menschen seiner Zeit, vom Fürsten b9is zum Bettler, grob Anfang 16. Jahrhundert, kamen auf diesem beschwerlichen Weg hierher um Hilfe, Ausgleich, Rat zu finden. Dieser Einsiedler war hervorragend informiert, kannte seine Schweizer und war dank seiner völligen Unabhängigkeit ein großer Helfer.
Das Kirchlein in Flüeli liegt sensationell auf einem Felsen und gestattet einen wundervollen Rundblick hinunter zum Sarner See und hinüber zur St. Niklaus-Kapelle.
Als um sechs der Kiosk schließt, bin ich am Wegfahren und in einer knappen Stunde, schneller als erwartet in St. Agnes. Aufräumen, Duschen, Ordnen, dann zu Fuß zur Hofkirche. Dietrich Wiederkehr ist pünktlich, kommt fesch daher mit Rucksack. Wir kehren ein und nehmen einen feinen Riesling x Silvaner zu uns, der neben Muskatnoten, auch an fränkische Qualitäten erinnert. Wir besprechen unseren Tag, ich zeige die auf den Rechner überspielten Bilder, aber es sind doch immer wieder komplexe Erinnerungen aus der Jugend, die unsere Wege zu Berufung und Beruf, zu Kunst und Literatur, zum Theater, zur Musik verdeutlichen. Wir verspüren Möglichkeiten und Potenziale von Austausch und Beziehung. Unter dem Druck der zeitlichen Begrenztheit skizzieren wir eine Exkursion zu romanischen Kirchen im Elsass ...
Nach dem Abschied trinke ich noch ein Glas unfiltriertes Bier und nehme den Weg nach St. Agnes. Dieses Mal eine geregelte Nacht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen