Samstag, 6. Juni 2009

Luzern - Einsiedeln - Thuner See

Vier – sechs

Kurz vor sieben, meinte ich, reicht. Es reicht nicht. Hygiene, gruppenweises Zusammenpa-cken, Frühstücken, Kontakte, Bezahlen ... Beim nächsten Mal werde ich dafür zweieinhalb Stunden vorsehen.
Dennoch: Pünktlich beim Frühstück und sogar fast so pünktlich wie gestern Abend bei Dietrich Wiederkehr. Hier eine kurze, aber starke (!) Viertelstunde mit seinem Reisesegen. Das Moped war schnell gepackt und zu den Dominikanerinnen gefahren. Noch etwas Schreiben, Zimmer aufräumen, dann ab nach Einsiedeln.
Ab sofort bin ich wirklich allein. Keinen Partner, keine Freunde, die abends warten, keine Verabredungen. In Schwyz kaufe ich Fehlendes nach: Lippenfett, Bananen, Elektrolytgetränk, Waschmittel. In meine kleine Kalorien-Meditation fragt mich ein kleiner Junge, ob ich die Muschel selbst gefangen habe und ob das Kreuz schon drauf war. Er hat einen kleinen, schwarzen Motorradhelm auf, so dass zu Wiki nur noch die Hörner fehlen. Der bereits auf dem Motorroller wartende Vater, Babbe, antwortet für mich „der Mann het no e lange Reis vor sich, der faart zum Saint Jacques, eme Bruoder vom liibe Jesus.“ Und nach: „Kennet Sie de Wäg“ bitte ich um die schönste Strecke nach Luzern. „Näämet Sie de Wäg am See entlang.“
Dort treffe ich oberhalb von Weggis ein Biker-Paar aus Stuttgart. Auch sie sind gut informiert über den Camino, stellen aber fest, dass sie einen anderen „Kitzel“ suchen, aber einen späteren Einstieg nicht ausschließen. „Die Pilgerschaft, so meinen beide, ist aber schon recht eine Mode, nicht mehr das ganz Besondere!“ Mir kommt der Gedanke, nach Hause zu fahren und mit Rollerblades noch mal zu starten. Ich teile mit ihnen meine heftigen Wasabi-Erdnüsse, wir fotografieren einander, dann geht’s weiter.
Schnell bin ich vor Luzern, ganz langsam hindurch, dann über den Brünig-Pass zum Thuner See. An einem Aussichtsparkplatz halten nach mir drei Busse mit Japanern. Alles genauso wie man das so hört. Kameras raus, überall hin geguckt, geknipst, gelächelt, rein in den Bus, Abfahrt. Wenn die Landschaft ein Abziehkalender wäre, wäre sie längst verschwunden.
Die Suche nach dem Kirchlein von Einigen gestaltet sich umständlich, zudem beschäftigt mich die Suche nach einem Nachtquartier. Die uralte Kirche der Mutterpfarre der ganzen Gegend hält allen Erwartungen stand. Voll anmutiger Schlichtheit präsentiert sich das querschifflose Gebäude in einem kleinen Friedhofspark fast am See. Die Küsterin kommt und schließt ab, schenkt mir aber noch schnell ein Faltblatt. Ich bitte sie um Hinweise zur Übernachtungsfrage, im auto wartet ihr Mann und wird in die Unterhaltung einbezogen. Dass hier ein Pilgerweg durchgeht, ist ihnen durchaus unbekannt. „Mir sind halt reformierte, mir halde do nit viel defo“. Wimmis und Gwatt scheiden aus, aber in Richtung Amsoldingen finde ich das Gasthaus zum Stockhorn. In der Sonne sitzen zwei junge Frauen beim Abend-essen. Ich will besonders routiniert und sorgfältig absteigen und falle, gopfertoori, wie ein Maikäfer um. Die beiden helfen mir, das Moped aufzustellen. Sie sind in Motorradkleidung! Der linke Spiegel ist abgebrochen, sonst ist alles ok. Aber ich komme mir so saublöd vor. Verdienter Trost: Man hat ein Zimmer für mich. Ich bringe alles nach oben und nehme ein beruhigendes Mahl zu mir, dazu einen Wein aus dem Wallis.
Am späten Abend meine erste Waschnacht. Übernachtung im Gasthaus heißt: Alles ausreizen. Das Waschmittel riecht gut und parfümiert mein Nachtgemach auf das Förderlichste. Derweil die mit allen vorhandenen Tüchern ausgewrungenen Objekte auf Kleiderbügeln die Dusche bevölkern.

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