Mittwoch, 24. Juni 2009

St. Jean-Pied-de-Port – Pamplona – Logrono

dreiundzwanzig – sechs

Senora Maria Camino geruhen, mich zu tadeln wegen Nichteinhaltung der zeitlichen Vereinbarungen das Frühstück betreffend. Ich entgegne mit großer Würde, dass Sie angesichts Ihres Verhaltens keinerlei recht auf Kritik habe. Wer wie sie den Gast, der in der Hoffnung auf eine günstige Unterkunft komme, um sein Geld bringe, habe alle Rechte auf Achtung verloren. Ich biete ihr 40 Euro, wenn nicht möge sie die Polizei holen. Sie schimpft in spanischer Sprache und macht dann den Vorschlag, mir noch ein Fresspaket mit Produkten eigener Hand mitzugeben. Ich akzeptiere. Der Kaffee ist schrecklich und unter Mikrowelle aufgewärmt. Wegen der nervlichen Anstrengung wird mir doch warm und gepackt is’ auch noch nich! Die Leute vom Pilgerbüro kommen und reden mit ihr. Gestern hat man noch darüber diskutiert, ob man ihr die Muschel aberkennt, die am Schild die Pilgerherberge ausweist ... Immerhin muss sie jetzt wissen, dass sie etwas riskiert, wenn sie die Anrufer nicht auf den neuen Preis hinweist.
Ich komme gut weg und bin bald oben am Col von Ibaneta, von wo aus man einen schier unglaublichen Blick in die Tiefe hat. Aus diesem unglaublichen Schlund kommen die Pilger herauf. Ich unterhalte mich mit einem BMW-Fahrer aus Magdeburg, so um die 50.
Zum ersten Mal ist seine Frau mit auf eine Motorradreise gegangen. Sie will den Weg gehen, er will ihn fahren. Also wartet er mit dem Gepaeck seiner Frau oben am Pass, bis sie ankommt.
Wenige Minuten später tauchen die Dächer des Kloster von Roncesvalles auf. Ich schaue mir den Kreuzgang und die Hauptkirche an, in der es einen Jakobsaltar gibt. Das königlich-navarresische Kloster war seit Beginn der Wallfahrt eine wichtige Haltestation. Ich bekomme sogar einen Stempel mit einem Eintrag "con moto hasta sarria"!
Abfahrt nach Pamplona. Tanken. Eine lieb dreinschauende Tankfrau ist mir behülflich. Ich gebe Ihr einen der letzten fünfziger aus dem Sigmaringer Fund! Casco antiguo bedeutet Altstadt. Das gibt es auch in Pamplona. Ich stelle das Moped an einem Platz ab, erwerbe mir eine Flasche gekühlten Kakao und marschiere durch die Gassen, durch welche an den Festtagen die Stiere getrieben werden. Es fällt auf, wie unglaublich sauber die Strassen sind. Viele Häuser sind farbenfroh restauriert und mit Blumen behängt. Die ganze Stadt scheint sehr lebendig zu sein, denn viele Autofahrer rufen mir unfreundliche Sachen zu idiota und so, weil ich halt keine Knautschzone habe und so meine eigenen Vorstellungen von Verkehr ...
Auf die Autobahn entweiche ich gen Logrono. Dazwischen liegen so wichtige Stationen wie Nostra Senora de Eunate, Puente la Reina und Estella. Ich stelle jeweils ein Bild ein. In Estella geht soeben ein Sensationsprozess mit einer Mörderin zu Ende. Sie kommt frei, was ich am Abend im Fernsehen mitbekomme, obwohl sie das Verbrechen zugegeben hat.
Mit etwas Verzögerung finde ich in Logrono ein Hotel, checke ein und bringe mich aus der Erschöpfung wieder ans Licht.
Um elf sitze ich am Marktplatz, trinke zwei Biere. Ein dicker Glatzkopf setzt sich zu mir und redet auf mich ein. Der Kellner kommt und steht mir bei. In ordentlichem Deutsch erklärt mir der Kellner, das dem Mann unangenehm war, von mir beobachtet zu werden. Dabei ist das abendliche Leben auf diesem schönen Kirchplatz wirklich fast wie ein Film: Eine behinderte junge Frau rollt in ihrem Elektrowagen telefonierend über den Platz, ein kleiner Hund trippelt mit drei Beinen, das vierte unregelmäßig zur Seite schleudernd, von einer Pinkelstelle zur nächsten. Eine Familie mit zwei rollernden Buben geht in die eine Richtung und kommt davon Eis schleckend wieder zurück. Jetzt rollert der Papa und die Mama trägt das Fahrzeug.
Ein tiefschwarzer Mann, wie er sagt Portugiese bettelt um eine kleine Münze. Ich biete ihm an, ein Bier zu bezahlen. Er will das Geld. No, nicht die kleinste Münze, muy pequena. Er trinke nur Wein. Der Kellner kommt und entfernt ihn mit harschen Gesten. Und und ...
Es ist Nacht. Der Hotelmanager hat mir einen Kode gegeben, damit ich den Hotspot anwählen kann. Tut aber dann doch nicht. Draußen ist es zu schwül. Ich lasse die Klimaanlage eingeschaltet.

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