Freitag, 12. Juni 2009

Nasbinals – Estaing

Elf – sechs


Gestern abend haben sich die trockenen Abschnitte verdünnisiert und mit dem zunehmenden Regen wurde es immer kühler. Dazu kommt, dass wir auf etwa 1100 Meter Meereshöhe sind, das macht auch ein Paar Grad aus.
Ich hatte mir vorgestellt, solange im Gîte zu bleiben, bis ich fertig wäre mit meinem Schreiben und Waschen. Aber die aus dem Nichts aufgetauchte Putzfrau hat mir klar gemacht, dass ich nach meinem Frühstück, spätestens um zehn den Platz zu verlassen hätte. Das Motorrad und überhaupt, ich hätte es gar nicht hierher stellen dürfen. Mon Dieu, si la Responsable das gesehen hätte … ! Diese von Göttern Beauftragte ist mir nicht zu Gesicht gekommen. Das könnte wieder eine von den gütigen Schickungen sein, die mir oft begegnen und die zur Folge haben, dass ich immer mehr in der „Schuld“ der Fügung bin. Wer nur rührt dieses Gericht "Leben" zusammen. Auch die Zutaten bleiben fast unbekannt. Das bisschen Materielle nur Schein, das viele Immaterielle verborgen. Eigentlich macht das Ganze nur Sinn, wenn es keinen Sinn hat.
Ich beende mein Frühstück so schnell es geht, trockne mein liebes Moped ab und belade es mit gewonnener Routine. Übrigens: Hier gibt’s keine Arbeit, deshalb keine jungen Leute, keine Schule, keine Frischmilch. Aber es gibt zehn Sessellifts, viel zu viele Gästebetten, aber ein teures Landschaftsprogramm, das einige Leute entzückt, z. B. die Pilger, aber nichts einbringt. Und Nasbinals hat ein sehr schöne romanische Kirche, sehr gepflegt, aber fast ohne religiöses Leben.

Der Aubrac-Pass liegt bei über 1300 Meter, es ist unangenehm kalt, immer wieder fegt Niesel-Nebel mit Sicht-Löchern über die Kuppen. Fast ganz oben liegen die Reste eines Pilgerhospizes. Zwischen der gotischen Hallenkirche und der Tour des Anglais haben die örtlichen Tourismusexperten die Einrichtung eines Kräutergartens bewirkt. Da war mal einer gewesen, vor Zeiten, aber nicht entfernt so groß und reichhaltig. Das bauliche Ensemble ist klein aber spektakulär. In der Kirche macht sich eine Gruppe älterer Priester zu einem Freundschaftsgottesdienst bereit.
Kurz danach mache ich Bekanntschaft mit einem Aubrac-Rind, welches in Gemeinschaft mit anderen die Strasse heraufkommt, die ich hinunter will. Ich bleibe einfach stehen. Ein besonders hübsches Rind findet das interessant und guckt sich den komischen, weil motorisierten Ochsen an. Sein Fell ist etwa honigfarben, ohne Flecken, von der Hälfte an scheinen die spitzen Hörner schwarz poliert und dann ein Blick, ich sage Euch, ein Blick wie aus dem Himmel. Das Vieh hat einen umwerfenden Augenaufschlag. Das Auge ist schwarz umrändert und extrem klar.
Und dann beendet der Treiber den Beginn einer Beziehung ...wenn ich nicht so eine Angst vorm Geschlachtet-werden hätte!

In St.-Côme-d’Olt finde ich eine St. Cosmas und Damian Kirche in einem kompakten mittelalterlich wirkenden Ensemble, das zur Aufnahme in die Liste der schönsten Dörfer Frankreichs geführt hat. Auch Estaing gehört dazu. Dort komme ich um zwei Uhr an, organisiere meinen Verbleib im Hotel und fange an zu arbeiten: Besichtigung von Kirche und Burg, welche wieder der Familie gehört. Kleine Einkäufe, Stadtumrundung, Office de tourisme etc. Abendessen im Hotel.

In manchen kleinen Staedtchen gehoert es dazu, die Strassennamen in occitan und franzoesisch anzugeben. Das ist deshalb gewagt, weil nur wenige diese alte und sehr klangvolle Sprache sprechen. Allerdings gibt es Unterricht in den Schulen.
Draußen klärt sich der Himmel.

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