Montag, 29. Juni 2009

Von Sarria nach Portomarin

sechsundzwanzig - sechs

Wenn die angebotenen Internetstationen funktionieren wuerden, die Passwoerter bekannt waeren oder gar jemand den Schluessel fuer den Schrank haette, ja dann haette ich mich nicht so (voreilig) verabschieden muessen. Nur einmal gibt es kein Internet und selbst dann haette jemand aktiviert werden koennen.
Aber der Reihe nach. Sarria ist noch ganz ruhig, vielleicht erschoepft vom Feiern. Ich muss das Moped nach mal umstellen und das Gepaeck endgueltig versorgen. Fatima hat fuer alles Loesungen. Schliesslich sucht sie noch die Abfahrtszeiten fuer die Rueckreise heraus. Ich ernenne sie zum Erzengel meiner Reise.
Der lange, mehrfach nur kurz unterbrochene Anstieg ueber Burg und Kloster treibt mir den Cafè con leche aus allen Poren heraus. Ich muss den Unsinn mit dem vielen Fruehstueckstrinken lassen. Ich sehe mich eher als Versuchsmaschine eines staub-bindenden Strassenbetraeuflers denn als serioeser Pilger. Von denen sind jetzt viele tuechtige und leichtfuessige Exemplare unterwegs. Ach wie gut, dass keiner weiss ... Ich werde mit ernsten Augen angeguckt und man sagt zu mir Buen Camino! Spaeter, das verrate ich jetzt schon, kommt oft noch ein Lachen in den Winkeln dazu. Gleich im ersten Tal gehen vor mir zwei alte Leute, die zusammen ein Kreuz tragen. Beim Naeherkommen erweist sich aber, dass er eine Leiter, sie Leseholz traegt. Es sind einfache Bauern, die nur eben mal ein Stueck Camino gehen. Was werde ich noch alles sehen, was sich dann ...
Fast auf der Hoehe angekommen, ueberholen mich schnaufend zwei juengere Leute auf Klappraedern. Hintendrauf, wie Klammeraffen die Kinder. Drei Tage lang sind die vier staendig in meiner Naehe, weil sie lange Pausen in den Restaurants machen. Der Junge kraeht mit groesstem Vergnuegen immer wieder buen camino. Bei dritten oder vierten Mal erfahre ich, dass die Fahrt die Durchfuehrung eines Geburtstagswunsches ist. Ich habe nicht herausbekommen, wer der Wuenschende ist. Nebenan liegt eine kleine umfriedete Kirche. Romanisch natuerlich. Der sehr alte Pfarrer kommt mir kurz vor dem Tor entgegen. Er geht zurueck, oeffnet seine Kirche, setzt sich auf seinen Stuhl und beginnt einen Vortrag. Sein einst wundervoller Sermón wird leider durch die verunglueckten Bemuehungen seines Zahnarztes zu einem Gebrummel deformiert, was auch ihm selbst auffaellt. Von dem Ganzen verstehe ich immerhin, dass die Aufmerksamkeit vor allem dem praeromanischen Tuersturz auf der Innenseite des Portals zu gelten hat.
Auch bei der romanischen Kapelle von Santa Maria de Velante = die meisten Leute rennen an den Kirchen vorbei, dabei ist eine schoener als die andere, leider meist geschlossen = gibt es eine Bar. Hinter der Theke eine schwarze Barfrau mit einer schier unglaublichen Ausstrahlung. Vor der Bar eine junge Frau, die mich auf franzoesisch fragt, ob ich die Stempel haben will. Ich will und wie, nur damit ich noch einige Male in das lachende Gesicht der Barfrau gucken kann.
Es gibt einen fuer die Etappe und einen fuer die Kirche. Also: Man rennt ja nicht in jede Bar am Wege, aber wer diese schwarze Frau sieht, stellt sich ein Paar Fragen ..
Wenig danach ueberholt mich ein junger Mann, ein Cellist, Kammermusiker aus Wien.
Wir kommen ueber das Obertonsingen und das Cello auf das Welttheater im Allgemeinen und Fragen zum Musikereinkommen im Besonderen. Das Wandern geht schneller und leichter, so kommt es mir vor. Wir nehmen einen Kaffee. er wird freundlich von anderen begruesst, die meinen, er solle doch gleich hier bleiben, Portomarin sei ein Loch, gegen das hier. Das Komma ist von Bedeutung.
Wir gehen noch ein Stueck, dann muss er beschleunigen. Was hat ihn auf den Weg gebracht. Einmal ein lang gehegter Wunsch, dann guenstige Bedingungen, ein Produktionsloch gewissermassen. Die materiellen Mittel und eine gewisse Freiheit der Entscheidung gehoeren auch dazu.
Portomarin ist ein ganz neuere Ort. Das Anstauen eines Wasserreservoirs hat die Verlegung eines ganzen Dorf bewirkt. Die romanische Burgkirche wurde ab= und an anderer Stelle wieder aufgebaut. Drumherum Platz fuer Arkaden und stabile Haeuser.
Dahinter alles Notwendige, Bars, Polizei, Herbergen etc. Wegen eines Missverstaendnisses bekomme ich einen Liter frischen Orangensaft zubereitet. 10 Euro muss ich dafuer bezahlen. Aber geschmeckt hats maerchenhaft.

Auch ein Weg von tausend Meilen beginnt mit einem Schritt. (Japanische Weisheit)

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