vierzehn – sechs Fußetappe drei
Weil das Zeitfenster für das Frühstück so klein war, hat es uns alle noch mal zusammengebracht. Allerdings sind die Motorradfahrer sehr beieinandergeblieben. Mit ihrem Senior habe ich so um halb sechs in der aufgehenden Sonntagssonne eine kleine Fototour durchs Dorf gemacht. Er fährt eine TDM, seine Frau einen viel zu schweren Kawa Chopper. Ein Sohn mit Freundin, Freunde des Sohnes und ein weiterer Freund, zum Teil auch mit Anhang. Es ist also eine Familiengruppe mit dem Motorrad-Hobby. Sie leben in und bei Toulouse, suchen sich in der Saison um die 4 mal für die Wochenenden einen Gîte aus und fahren dahin. Dann wird gegessen und getrunken, Pause gemacht, geklönt. Zu zwölft waren sie auf acht Mopeds. Wenn ich mein Moped dabeigehabt hätte, wäre das Gesprächsstoff gewesen: Der alte Bock samt seinem alten Reiter! Der Camino spielt keine Rolle dabei und eine Pilgerschaft ist völlig außerhalb ihrer Interessen. Die Langsamkeit des Fußwanderns ist wirklich der Knackpunkt. Man muss in der Lage sein, die Eidechse über den Weg huschen zu sehen, einen toten Frosch, Käfer und Blumen als Sensationen zu empfinden.
Der Mopedfahrer muss eine Einheit mit dem Gerät bilden, der Pilger findet die Einheit mit dem Weg. Und so entwickelt sich der Weg im Menschen und nicht außerhalb als etwas anderes.
Wir werden uns alle in Conques wiedersehen und freuen uns aufs Wiedersehen.
Der Weg besteht heute aus drei Teilen, einem langen mäßig steilen Aufstieg, einem etwa ebenen Landstraßenstück und einem langen sehr steilen, teilweise feuchtem und steinigen Abstieg.
Alle treffen sich bei den Prämonstratensern. Ihr Mutterhaus ist die Abtei Mondaye in der Normandie. Zu fünft sind sie hier und betreuen die wiedergegründete Pfarrei und natürlich das Welterbegut von Conques. Die weißgewandeten Mönche sind für die Touristen eine echte Sensation. Wer keinen gesehen hat, war nicht recht da. Deshalb zeigen sie sich vor allem morgens und abends im Städtchen und in der Kirche. Dazu kommen die Hospitaliers, eine kleine Zahl ehrenamtlicher Helfer aus verschiedenen Nationen mit den Hauptsprachen spanisch, englisch, deutsch und französisch. Für uns Deutsche ist vor allem Helmut aus Aachen (71) der Ansprechpartner. Aber auch die anderen können ein bisschen deutsch. Für diesen Dienst muss man französisch können, eine weitere Sprache verstehen und englisch oder deutsch als Muttersprache haben. Die Anzahl der Spanier ist verschwindend gering. Auf dem Platz vor der Abbatiale habe ich Gelegenheit, ein spanisch sprechendes Paar vor dem Tympanon zu fotografieren. Mein bisschen Spanisch wurde ganz rührend kommentiert und jedes Mal, wenn wir uns über den Weg laufen, gibt es ein herzliches Wiedersehen. Es muss für den geschichtsbewussten Spanier ein Erlebnis sein, im außerspanischen Kulturraum zu navigieren! Nach und nach treffe ich alle Pilger aus Sénergues wieder, vor allem Elisabeth und Mechthild aus Ulm, aber auch das paar Rodriguez aus Tours, die allen eine nachhaltige Einladung aussprechen. Bruder Felix Daniel erläutert den Tympanon, eine Lehrveranstaltung für Gästeführer. Als Utensilien benutzt er einen sehr langen Stecken, ein Messbuch, einen braun lackierte Ast von zwei Metern Länge und zwei kurze Stäbe. Was er damit macht ist unbeschreiblich. Am ende sind wir aber ganz gut informiert, denn der Tympanon vermittelt ein hochkomplexes Bild von Theologie und mittelalterlicher Gesellschaft.
Das Abendessen ist dann auch ein Fest der Begegnung. Viele Leute aus Irland, Schottland und England sind da. Ihre Sprachunfähigkeiten sind rührend und werden je nach dem freundlich-ironisch kommentiert.
Ich habe die Ehre, den deutschen Text (Apokalypse 22, 4-5) beim abendlichen Pilgersegen am Ambo zu lesen. Deshalb erwerbe ich mir für 16 Euro ein neues burgunderfarbenes T-Shirt mit Stickerei. Alle bekommen das Johannesevangelium geschenkt. Anschließend beginnt der Aufstieg zu den Tribünen, während nach und nach unter den Klängen der Orgel die Gewölbe und Kunstwerke beleuchtet werden. Dort haben einst auch die Pilger genächtigt, weil der Platz in den Herbergen nicht gereicht hat. Heute geht man im Meer der Orgelklänge rundherum und ganz nahe an den von unten
kaum detailreich erkennbaren Kapitellen vorbei.
Im Kloster macht man sich dennoch Gedanken darüber, wie sich die Pilgerei weiter entwickeln wird, weil man am Rand der Möglichkeiten angekommen ist.
Ich gehe noch ein Bier trinken und lasse den Tag zu Ende gehen. Im Dortoir 1 herrscht mäßige Ruhe, Bettgestelle knarren, die ersten Schnarcher nehmen die nächtliche Arbeit auf
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