Grüß Gott Euch allen, die mit mir waren ...
Der Blog ist kalendermäßig abgeschlossen, es kommen also keine neuen Artikel mehr nach.
Inhaltlich aber bin ich dabei, zu ergänzen, Bilder einzustellen, die Rechtschreibung zu verbessern
und Vergessenes einzubinden.
Weil das aber nicht so ohne weiteres feststellbar ist (ich mache keine Angaben darüber),
verabschiede ich mich von Ihnen/Euch. Wenn Ihr Lust habt, könntet Ihr mir mitteilen, wie Ihr mit dem Medium Blog umgegangen seid und vielleicht auch einige hilfreiche Tips geben.
Zur Belohnung gibts den Ausdruck bei Gelegenheit ordentlich gestaltet.
Dieter Preiser
Montag, 13. Juli 2009
Dienstag, 7. Juli 2009
Mit Glück daheim, aber noch nicht angekommen!
fünf - sieben
Das Leben ist eine Brücke. Gehe über sie hinweg, aber baue kein Haus darauf.
Dieses indische Sprichwort habe ich bei Bruce Chatwin (wie ich 1940 geboren, nicht immer ganz zuverlässig!)
gefunden und es will mir nicht aus dem Kopf.
Und auch diese Geschichte hat Chatwin erzählt:
Eine Expedition eilt wegen einer Terminabsprache mit hohem Tempo durch den afrikanischen Busch. An einer
Stelle stoppen die Träger und sind durch keine Versprechungen mehr zum Weitergehen zu bewegen.
Ein Mitglied der Trägergruppe sagt: Wir sind zu schnell gegangen und müssen jetzt warten, bis unsere Seelen uns eingeholt haben.
So geht es mir im Augenblick, zwar zupft bereits viel Gegenwärtiges an mir, aber ich bin noch nicht ganz da. Und der erste Satz sagt unscharf etwas über das "dort, wo ich bin". Ich bin noch auf der Brücke ...
Das Leben ist eine Brücke. Gehe über sie hinweg, aber baue kein Haus darauf.
Dieses indische Sprichwort habe ich bei Bruce Chatwin (wie ich 1940 geboren, nicht immer ganz zuverlässig!)
gefunden und es will mir nicht aus dem Kopf.
Und auch diese Geschichte hat Chatwin erzählt:
Eine Expedition eilt wegen einer Terminabsprache mit hohem Tempo durch den afrikanischen Busch. An einer
Stelle stoppen die Träger und sind durch keine Versprechungen mehr zum Weitergehen zu bewegen.
Ein Mitglied der Trägergruppe sagt: Wir sind zu schnell gegangen und müssen jetzt warten, bis unsere Seelen uns eingeholt haben.
So geht es mir im Augenblick, zwar zupft bereits viel Gegenwärtiges an mir, aber ich bin noch nicht ganz da. Und der erste Satz sagt unscharf etwas über das "dort, wo ich bin". Ich bin noch auf der Brücke ...
Von Albi nach Würzburg
vier - sieben
Hotels mögen hoch in den Sternen schweben, haben aber die Erdung verloren ...
Das "Mercure" in Albi ist so ein fehlbeseeltes Haus. Scheinbar großzügig, stören doch die gschlamberten Details: Da kann man die Vorhänge nicht öffnen, dort knattert ein Wasserhahn erst nach deutlichen Ermahnungen, die Glühbirne der Bettbeleuchtung ist kaputt, die Fernsehprogramme erneuerungsbedürftig. Ein gutes Hotel kann man u. a. daran erkennen, ob es und welche Leistungen kostenfrei bereithält und wie die kleinen Dinge gehandelt werden. Ein großzügiges Konzept kriegen alle hin, es aber konsequent umzusetzen, das ist Fieselarbeit, für die vom Direktor bis zum Küchenjungen Überzeugungsarbeit erforderlich ist.
Ich bin dort ohne Frühstück und in Kriegsstimmung ausgezogen: Die Welt kann noch besser werden.
Das wunderbare Licht der Morgensonne und die Einfahrt in die dramatische Auvergne haben mich besänftigt.
An Rodez - der Bischofsstadt, zu der Conques gehört - vorbei entscheide ich mich, über Clermont-Ferrand (Stammsitz von Michelin) nach Moulins zu fahren, von dort ins Saone-Rhône-Tal zu queren, um über Mulhouse, Freiburg und Karlsruhe schließlich Würzburg zu erreichen. Das sind zwar über 1100 Kilometer, aber gegen das Ende, wo ich sehr müde sein werde, wäre ich dann schon fast daheim. Das könnte hilfreich sein und Reserven wecken. Die Strecke über Paris wäre um hunderte von Kilometern kürzer gewesen. Habe ich später nachgemessen. Zu spät.
Tatsächlich komme ich gut voran, die Maschine ist brav, irritiert mich aber doch durch erneutes Geklapper. Vielleicht höre ich aber nur die Flöhe husten. In der Raststätte Beaune kaufe ich einen Liter Motorradöl. Der versenkt sich ganz schnell im Innern der Maschine. Und ich verkündige hiermit, dass jetzt gegen das Ende der Fahrt, das Fahren mit der CBX erstmals richtig Spass macht. Motorradmäßig haben diese letzten 700 KM am meisten Spaß gemacht.
Hier in Beaune treffe ich auch zwei junge Leute, die per Autostop durch Frankreich stromern. Der eine, Schüler, der andere vielleicht Student, beide repräsentieren eine der Hauptrichtungen, die ich auch beim Camino oft angetroffen habe: Suche nach Orientierungen, sehr nebulös zunächst, aber da steckt so eine Art Hoffnung drin. Alles und natürlich auch mit hohem Unterhaltungswert. Das Unerwartete meistern, mit brenzligen Situationen fertig werden ...
Die beiden helfen mir, das Moped auf den Hauptständer zu ziehen, sodass ich das Öl einfüllen kann. Und es wieder runterzudrücken, damit ich weiterfahren kann. Sie bieten mir Obst an, was aber dann irgendwie untergeht im Abschiedsgefecht. Sie wollen noch weiter. Wohin? Das entscheiden die Autofahrer, die sie mitnehmen. Nur eine allgemeine Richtung wird vorgezogen, Osten, aber ich nehme an, wenn ein attraktives Ziel winkt, dann fahren sie mit. Ist das ein Vertrauen in einen Sinn im scheinbar Zufälligen? Wir kommen auf das Weltkulturerbe, von dem unser Europa so reich möbliert ist. Zum ersten Mal habe ich den Eindruck, dass die Objekte der Liste einen Zeitumschlag darstellen, eine Art Bahnhof für das Handeln in und das Denken über Zeiten. Meine Gesprächspartner zeigen sich interessiert, aber für alle wird es Zeit ans Weiterkommen zu denken. Beide sind irgendwann Kandidaten für ein Ziel wie Santiago. Meldet Euch!
Es wird Abend. Am Himmel lässt sich ablesen, dass von Nord-Ost eine Gewitterfront naht. Dorthin will ich aber und deshalb ziehe ich unter einer Brücke wieder mal die Regenkombi (das Ganzkörperkondom) über mich. Jetzt und in alle Zukunft in der Erwartung, dass beim Auftauchen aus dem Sichtloch die Polizei vor mir steht. Dies Ereignis bleibt jedoch aus.
Dann fahre ich mit finsterer Entschlossenheit zwei Stunden lang hinter den Regen, schließlich ists geschafft. Die nächste ganz neue, etwas hippige Raststätte, mit Wassermann-Musik auf den Toiletten und auch sonst "öko", etwa bei Besancon sieht mich getrocknet und noch aufgeräumt. Vor allem warm.
Dennoch geht der Kampf gegen die Müdigkeit jetzt los. Die Pausen werden länger, die Fahrstrecken kürzer. Schon fast daheim mache ich oberhalb Heidingsfeld nochmal Pause. Weil ich an der letzten Ampel fast vergessen habe, die Füsse runterzustellen. Hinter mir steht ein Lastwagen. Schrecken empfinde ich nicht, dazu habe ich keine Energie mehr.
Punkt sechs stelle ich das Moped in der Garage, die Edith zuvor geräumt hat, ab. Dem Datum folgend bin ich nach genau fünf Wochen wieder zuhause. Die Seele ist noch unterwegs.
Hotels mögen hoch in den Sternen schweben, haben aber die Erdung verloren ...
Das "Mercure" in Albi ist so ein fehlbeseeltes Haus. Scheinbar großzügig, stören doch die gschlamberten Details: Da kann man die Vorhänge nicht öffnen, dort knattert ein Wasserhahn erst nach deutlichen Ermahnungen, die Glühbirne der Bettbeleuchtung ist kaputt, die Fernsehprogramme erneuerungsbedürftig. Ein gutes Hotel kann man u. a. daran erkennen, ob es und welche Leistungen kostenfrei bereithält und wie die kleinen Dinge gehandelt werden. Ein großzügiges Konzept kriegen alle hin, es aber konsequent umzusetzen, das ist Fieselarbeit, für die vom Direktor bis zum Küchenjungen Überzeugungsarbeit erforderlich ist.
Ich bin dort ohne Frühstück und in Kriegsstimmung ausgezogen: Die Welt kann noch besser werden.
Das wunderbare Licht der Morgensonne und die Einfahrt in die dramatische Auvergne haben mich besänftigt.
An Rodez - der Bischofsstadt, zu der Conques gehört - vorbei entscheide ich mich, über Clermont-Ferrand (Stammsitz von Michelin) nach Moulins zu fahren, von dort ins Saone-Rhône-Tal zu queren, um über Mulhouse, Freiburg und Karlsruhe schließlich Würzburg zu erreichen. Das sind zwar über 1100 Kilometer, aber gegen das Ende, wo ich sehr müde sein werde, wäre ich dann schon fast daheim. Das könnte hilfreich sein und Reserven wecken. Die Strecke über Paris wäre um hunderte von Kilometern kürzer gewesen. Habe ich später nachgemessen. Zu spät.
Tatsächlich komme ich gut voran, die Maschine ist brav, irritiert mich aber doch durch erneutes Geklapper. Vielleicht höre ich aber nur die Flöhe husten. In der Raststätte Beaune kaufe ich einen Liter Motorradöl. Der versenkt sich ganz schnell im Innern der Maschine. Und ich verkündige hiermit, dass jetzt gegen das Ende der Fahrt, das Fahren mit der CBX erstmals richtig Spass macht. Motorradmäßig haben diese letzten 700 KM am meisten Spaß gemacht.
Hier in Beaune treffe ich auch zwei junge Leute, die per Autostop durch Frankreich stromern. Der eine, Schüler, der andere vielleicht Student, beide repräsentieren eine der Hauptrichtungen, die ich auch beim Camino oft angetroffen habe: Suche nach Orientierungen, sehr nebulös zunächst, aber da steckt so eine Art Hoffnung drin. Alles und natürlich auch mit hohem Unterhaltungswert. Das Unerwartete meistern, mit brenzligen Situationen fertig werden ...
Die beiden helfen mir, das Moped auf den Hauptständer zu ziehen, sodass ich das Öl einfüllen kann. Und es wieder runterzudrücken, damit ich weiterfahren kann. Sie bieten mir Obst an, was aber dann irgendwie untergeht im Abschiedsgefecht. Sie wollen noch weiter. Wohin? Das entscheiden die Autofahrer, die sie mitnehmen. Nur eine allgemeine Richtung wird vorgezogen, Osten, aber ich nehme an, wenn ein attraktives Ziel winkt, dann fahren sie mit. Ist das ein Vertrauen in einen Sinn im scheinbar Zufälligen? Wir kommen auf das Weltkulturerbe, von dem unser Europa so reich möbliert ist. Zum ersten Mal habe ich den Eindruck, dass die Objekte der Liste einen Zeitumschlag darstellen, eine Art Bahnhof für das Handeln in und das Denken über Zeiten. Meine Gesprächspartner zeigen sich interessiert, aber für alle wird es Zeit ans Weiterkommen zu denken. Beide sind irgendwann Kandidaten für ein Ziel wie Santiago. Meldet Euch!
Es wird Abend. Am Himmel lässt sich ablesen, dass von Nord-Ost eine Gewitterfront naht. Dorthin will ich aber und deshalb ziehe ich unter einer Brücke wieder mal die Regenkombi (das Ganzkörperkondom) über mich. Jetzt und in alle Zukunft in der Erwartung, dass beim Auftauchen aus dem Sichtloch die Polizei vor mir steht. Dies Ereignis bleibt jedoch aus.
Dann fahre ich mit finsterer Entschlossenheit zwei Stunden lang hinter den Regen, schließlich ists geschafft. Die nächste ganz neue, etwas hippige Raststätte, mit Wassermann-Musik auf den Toiletten und auch sonst "öko", etwa bei Besancon sieht mich getrocknet und noch aufgeräumt. Vor allem warm.
Dennoch geht der Kampf gegen die Müdigkeit jetzt los. Die Pausen werden länger, die Fahrstrecken kürzer. Schon fast daheim mache ich oberhalb Heidingsfeld nochmal Pause. Weil ich an der letzten Ampel fast vergessen habe, die Füsse runterzustellen. Hinter mir steht ein Lastwagen. Schrecken empfinde ich nicht, dazu habe ich keine Energie mehr.
Punkt sechs stelle ich das Moped in der Garage, die Edith zuvor geräumt hat, ab. Dem Datum folgend bin ich nach genau fünf Wochen wieder zuhause. Die Seele ist noch unterwegs.
Von San Sebastian nach Albi
drei - sieben
Mir ist als wünsche das "Hotel ETH Irun Bizkaia" meinen schnellstmöglichen Abzug. Niemand nimmt mich grüßend zur Kenntnis, als ich den Caddy hole, belade, wieder abstelle. Niemand fragt, ob ich ein Frühstück will. Kein Danke bei Abgabe der Beleuchtungskarte und kommentarloses Annehmen des Zimmerschlüssels. Ich registriere ein unterschwellige Feindseligkeit. Mag sein, dass man hier Gäste wie mich nicht besonders mag. Aber baskische Gastfreundschaft kann das nicht sein. Draußen hat eine Kran-Mannschaft mein Motorrad so zugestellt, dass ich nicht einmal an die Maschine herankomme. Bevor ich protestieren kann, kommt der Monteur mit der Kran-Fernbedienung auf mich zu und sagt mir, wie das jetzt weitergeht. Mit einem einzigen Befehl wird der Weg zur CBX freigemacht, ich kann beladen und dem hilfreichen Monteur, weil er offenbar mit einem Mitarbeiter darüber uneins ist, die wichtigsten Daten zur Maschine sagen. Ihn beeindruckt die gute Optik der alten Maschine und als ich eine halbe Stunde später wegfahre, lässt er die letzten Hindernisse wegräumen und brüllt mir ein Ultreja zu.
Doch noch ein freundlicher Baske.
Ich fahre auf der Autobahn in Richtung Pau/Lourdes und Toulouse, das alte Tolosa, Hauptstadt der Westgoten. Beim Autobahnfahren entwickelt das Gehör, weil es Zeit zur Analyse hat und ohnehin ein wunderbares Instrument ist, ein Kontrollschema, dem alles ungewöhnliche auffällt. Mir fällt auf, dass der Kardan klappert, ein bißchen nur, aber mir zuviel. Dieses Geklapper nimmt zu. Ich verlasse die Autobahn bei Pau und finde einen sehr freundlichen Motorradmechano. Der stellt Ölmangel fest und füllt ordentlich rein. Das Problem ist beseitigt. Wieder auf der autobahn hellt sich das Wetter vollends auf, wird warm. Irgendwann lege ich mich auf die schattige Bank einer Rastanlage. Da habe ich fast zwei Stunden Frust und inneren Kram weggeschlafen. Ich wurde von einer dünnen, langen Frau mit einem winzigen Hund geweckt, die gerne am Tisch ein "PiqueNique" aufgebaut hätte. Da Rastbänke im allgemeinen eher zum Sitzen gedacht sind, habe ich diesem Ansinnen stattgegeben. Sitzend, nicht ohne meinerseits eine Flasche Erdbeerjoghurt, einen Rest Baguette, ein Stück Emmentaler, eine Tomate, ein Döschen Biberacher Kräutersalz, mehrere Hotelkonfitüren, zwei Hotelseifen, mehrere Bütterle und ... eine halbe Halbflasche Rioja aufzutragen. Zusammen mit meiner Haushaltsdose habe ich ein Drittel Tisch gebraucht. Es hat majestätisch ausgesehen. Ich war so sehr mit mir beschäftigt, dass mir entgangen ist, dass der Hund mit der Frau einen anderen Tisch gefunden hat ...
Sich im Tolosaner Autobahnsystem zurechtzufinden ist eine Geduldssache. Ich orientiere mich an "Albi" und gelinge auch (réussir à), die Ausfahrt zu treffen. Dort fahre ich aus und finde schließlich das schönste Hotel, das Mercure, nehme ein Zimmer. Ich richte mich ein und sehe mich in der hereinbrechenden Nacht ein wenig in der legenden-umwobenen Stadt der Albigenser um. An der höchsten Stelle die Kathedrale, eher die XXL-Ausgabe eines Bastidenturms, so wachsen die Ziegelmauern in flachen Kreissegmenten aus den Fundamenten in schwindelnde Höhen. Ebenso ein martialischer Turm. Das Bauwerk hat sehr viel Ähnlichkeit mit einem Raiffeisen-Getreidespeicher.
Nach zwei Bier bin ich schon sehr schlafbedürftig und versenke mich im Hotel.
Mir ist als wünsche das "Hotel ETH Irun Bizkaia" meinen schnellstmöglichen Abzug. Niemand nimmt mich grüßend zur Kenntnis, als ich den Caddy hole, belade, wieder abstelle. Niemand fragt, ob ich ein Frühstück will. Kein Danke bei Abgabe der Beleuchtungskarte und kommentarloses Annehmen des Zimmerschlüssels. Ich registriere ein unterschwellige Feindseligkeit. Mag sein, dass man hier Gäste wie mich nicht besonders mag. Aber baskische Gastfreundschaft kann das nicht sein. Draußen hat eine Kran-Mannschaft mein Motorrad so zugestellt, dass ich nicht einmal an die Maschine herankomme. Bevor ich protestieren kann, kommt der Monteur mit der Kran-Fernbedienung auf mich zu und sagt mir, wie das jetzt weitergeht. Mit einem einzigen Befehl wird der Weg zur CBX freigemacht, ich kann beladen und dem hilfreichen Monteur, weil er offenbar mit einem Mitarbeiter darüber uneins ist, die wichtigsten Daten zur Maschine sagen. Ihn beeindruckt die gute Optik der alten Maschine und als ich eine halbe Stunde später wegfahre, lässt er die letzten Hindernisse wegräumen und brüllt mir ein Ultreja zu.
Doch noch ein freundlicher Baske.
Ich fahre auf der Autobahn in Richtung Pau/Lourdes und Toulouse, das alte Tolosa, Hauptstadt der Westgoten. Beim Autobahnfahren entwickelt das Gehör, weil es Zeit zur Analyse hat und ohnehin ein wunderbares Instrument ist, ein Kontrollschema, dem alles ungewöhnliche auffällt. Mir fällt auf, dass der Kardan klappert, ein bißchen nur, aber mir zuviel. Dieses Geklapper nimmt zu. Ich verlasse die Autobahn bei Pau und finde einen sehr freundlichen Motorradmechano. Der stellt Ölmangel fest und füllt ordentlich rein. Das Problem ist beseitigt. Wieder auf der autobahn hellt sich das Wetter vollends auf, wird warm. Irgendwann lege ich mich auf die schattige Bank einer Rastanlage. Da habe ich fast zwei Stunden Frust und inneren Kram weggeschlafen. Ich wurde von einer dünnen, langen Frau mit einem winzigen Hund geweckt, die gerne am Tisch ein "PiqueNique" aufgebaut hätte. Da Rastbänke im allgemeinen eher zum Sitzen gedacht sind, habe ich diesem Ansinnen stattgegeben. Sitzend, nicht ohne meinerseits eine Flasche Erdbeerjoghurt, einen Rest Baguette, ein Stück Emmentaler, eine Tomate, ein Döschen Biberacher Kräutersalz, mehrere Hotelkonfitüren, zwei Hotelseifen, mehrere Bütterle und ... eine halbe Halbflasche Rioja aufzutragen. Zusammen mit meiner Haushaltsdose habe ich ein Drittel Tisch gebraucht. Es hat majestätisch ausgesehen. Ich war so sehr mit mir beschäftigt, dass mir entgangen ist, dass der Hund mit der Frau einen anderen Tisch gefunden hat ...
Sich im Tolosaner Autobahnsystem zurechtzufinden ist eine Geduldssache. Ich orientiere mich an "Albi" und gelinge auch (réussir à), die Ausfahrt zu treffen. Dort fahre ich aus und finde schließlich das schönste Hotel, das Mercure, nehme ein Zimmer. Ich richte mich ein und sehe mich in der hereinbrechenden Nacht ein wenig in der legenden-umwobenen Stadt der Albigenser um. An der höchsten Stelle die Kathedrale, eher die XXL-Ausgabe eines Bastidenturms, so wachsen die Ziegelmauern in flachen Kreissegmenten aus den Fundamenten in schwindelnde Höhen. Ebenso ein martialischer Turm. Das Bauwerk hat sehr viel Ähnlichkeit mit einem Raiffeisen-Getreidespeicher.
Nach zwei Bier bin ich schon sehr schlafbedürftig und versenke mich im Hotel.
Von Sarria nach San Sebastian (Reise)
noch einmal: zwei - sieben
Gérard Rivière und ich stehen noch mal in der Hotellobby. Wir wissen, dass wir ein Stück weit zusammen wandern könnten. Er bleibt wegen seines kranken Fusses noch einen Tag. Aber dieses Mal will er in Santiago ankommen. Er schließt nicht aus, dass hinter den Ergebnissen der Wissenschaft ganz andere Erklärungswirklichkeiten stecken, meint aber, dass Religion den Zugang eher verschließen als ihn öffnet. Meine Überzeugung, dass Religion einen grundsätzlich umfassenden Ansatz darstellt, dem Wissenschaft weit hinterher hinkt, gefällt ihm nicht besonders. Immerhin hält sich sein Amusement in Grenzen, weil er bei meinem Kenntnisstand in Sachen Kosmologie keinen echten Vorteil ausmacht.
Wir brechen das Gespräch ab und werden es in Paris fortführen.
Aus Sarria herauszukommen ist gar nicht so leicht, schließlich klappt es aber doch und dann geht es über Kloster Samos hinauf zum O Cebreiro - eine Passkette um 1300 Höhenmeter - dann hinunter nach Astorga. Dort mache ich etwas Gaudi-Gedenk-Pause und erinnere mich, dass der Camino Frances seinen Namen von den französischen Siedlern hat, die die Herrscher über lange Zeit den Weg entlang ansiedeln wollten. Vielleicht war Astorga der erste Platz, der damit in Zusammenhang gebracht wurde. In dem (unvollendeten, ehemaligen) Bischofspalast befindet sich heute ein Museum zur Geschichte der Santiago-Pilgerschaft. Ich halte dann erst wieder in Carrion de los Condes. Die Landschaft der Meseta hat etwas grandioses. Über schier endlosen Horizonten ein flacher spannungsloser Himmel von tief- bis blassblau. Die jetzt abgeernteten Felder parzellieren den Boden zwischen Goldgelb und Rot, wenn die Eggen bereits den Boden aufgerissen haben. Dazwischen Felskomplexe, ein kleiner Burgort mit Kirche oder sogar etwas Wald. Und dieses stundenlang. Seit Pamplona heißt diese Strasse Autovia del Camino de Santiago. Damit werden die Autoreisenden bewusst als (moderne?) Pilger angesprochen. An anderen Strassen tiefer im Land steht schon mal: Achtung Santiago-Pilger kreuzen! Hier aber kreuzt nix! Kostet aber auch nix.
Burgos zur Rechten liegen lassend gehts nach Nord-Ost und schließlich steil nach Norden, nach Bilbao. Zur Linken eine sich abflachende Gebirgskette und darüber schwere schwarze Wolken. Schon 30 KM zuvor hat es angefangen zu nebeln, zu regnen und zu stürmen. Ein Weiterkommen ist schließlich unmöglich. Ich verschanze mich in einer Raststätte und nehme einen sich selbst erhitzenden Kaffee von Nes zu mir. Man drückt am Boden auf eine Wölbung und nach 40 Sekunden ist der Kaffee heiß. Dafür schmeckt er überhaupt nicht und die Flüssigkeit ist einfach zu wenig. Das Drumherum ist klobig und nur technisch interessant. Ein Mann um die knapp 40 wummert mit Harley an die Zapfsäule. Wir kommen über das Wetter ins Gespräch und verwandeln uns vor den Augen der obersten Benzinhüterin in Mondgespenster. Da bei mir alles etwas langsamer geht, komme ich erst bei Einbruch der Dunkelheit vom Acker. Es ist etwa 20 Uhr. Nebel und dünner Regen setzen erneut und mit durchdringender Macht ein, die Reisegeschwindigkeit geht gegen null. Dennoch komme ich um halbelf in Bilbao an und lande ohne es zu wissen mitten im Guggenheim-Museum. Ich lasse schließlich die Maschine bei einer menschenleeren Parkanlage stehen, rutsche eine Brücke hoch und bestaune das Bauwerk Frank O. Gehrys in nächtlicher nasser Beleuchtung.
Neben mir steht ein junger Russe. Nach einigen Sprachversuchen einigen wir uns auf englisch. Seine Schlussfrage war: Wieviel Zeit hast Du dir für Bilbao genommen? Ich sage: 30 Minuten. Er bekommt einen Lachanfall ...
In einem Raststätten-Café zurück in Richtung Autobahn höre ich, dass der Regen von San Sebastian her aufgehört hat. Der Mann der guten Nachricht möchte mir zu einem Hotelzimmer verhelfen. Er scheitert kläglich. Mittlerweile ist es schwarze Nacht. Ich fahre in Richtung San Sebastian. Lange zuvor endet die Autobahn. Der Regen hält an. Seit Tagen malträtiert mich eine Blasenentzündung, weshalb ich alle halbe Stunde von der Maschine runter muss. Die Suche nach einer geeigneten Stellfläche, der Drang und die Nässe ergeben einen einzigartigen Erlebniszusam-menhang. An der letzten Mautstelle bekomme ich den Hinweis auf ein Hotel mit freien Zimmern. Ich finde das Haus, stelle die Maschine ab und man öffnet mir das Portal.
Das unbeschreibliche Desinteresse der jungen Frau hinter der Theke an dem seltsamen Gast und seinen Nöten nachts um halbdrei gehört in das Lehrbuch für Empfangspersonal. Falls dieses baskische Gastfreundschaft darstellt, dann, ihr Lieben, muss ich Euch abraten, unter schwierigen Umständen dorten Hilfe zu erwarten. Gerne schildere ich, was da vor der Theke steht: Ein triefendes und unförmiges Unglücksgebilde in einem signalroten Regenanzug, kaum als Mensch auszumachen, weil der Helm um der Gefahr der Kopfexplosion willen noch aufsitzend, seitlich durch ein Nylontuch gedichtet, unten das struppige Kinn, die Brille weißlich angelaufen, mit konvulsivischen Bewegungen gegen das klopfende Pinkelbedürfnis, von innen heraus sich aufschwitzend. Ein Ei wird auf Dauer hart gekocht, ich aber wurde weichgekocht. Vor dem Spiegel werde ich nachher aussehen wie eine der Tatortleichen auf dem Untersuchungsschragen. Ich soll ein Melde-Formular ausfüllen, meinen Ausweis zeigen, eine Unterschrift leisten, mein Motorrad da wegstellen und zum Transport einen Caddy mitnehmen und bitte sofort bezahlen. Habt Acht vor dem ETH Hotel bei San Sebastian! immerhin gestehe ich, dass ich bei allem Elend sicher zum Fürchten ausgesehen haben muss.
Aber ich habe ein Bett, wenn auch keinen Rotwein.
Gérard Rivière und ich stehen noch mal in der Hotellobby. Wir wissen, dass wir ein Stück weit zusammen wandern könnten. Er bleibt wegen seines kranken Fusses noch einen Tag. Aber dieses Mal will er in Santiago ankommen. Er schließt nicht aus, dass hinter den Ergebnissen der Wissenschaft ganz andere Erklärungswirklichkeiten stecken, meint aber, dass Religion den Zugang eher verschließen als ihn öffnet. Meine Überzeugung, dass Religion einen grundsätzlich umfassenden Ansatz darstellt, dem Wissenschaft weit hinterher hinkt, gefällt ihm nicht besonders. Immerhin hält sich sein Amusement in Grenzen, weil er bei meinem Kenntnisstand in Sachen Kosmologie keinen echten Vorteil ausmacht.
Wir brechen das Gespräch ab und werden es in Paris fortführen.
Aus Sarria herauszukommen ist gar nicht so leicht, schließlich klappt es aber doch und dann geht es über Kloster Samos hinauf zum O Cebreiro - eine Passkette um 1300 Höhenmeter - dann hinunter nach Astorga. Dort mache ich etwas Gaudi-Gedenk-Pause und erinnere mich, dass der Camino Frances seinen Namen von den französischen Siedlern hat, die die Herrscher über lange Zeit den Weg entlang ansiedeln wollten. Vielleicht war Astorga der erste Platz, der damit in Zusammenhang gebracht wurde. In dem (unvollendeten, ehemaligen) Bischofspalast befindet sich heute ein Museum zur Geschichte der Santiago-Pilgerschaft. Ich halte dann erst wieder in Carrion de los Condes. Die Landschaft der Meseta hat etwas grandioses. Über schier endlosen Horizonten ein flacher spannungsloser Himmel von tief- bis blassblau. Die jetzt abgeernteten Felder parzellieren den Boden zwischen Goldgelb und Rot, wenn die Eggen bereits den Boden aufgerissen haben. Dazwischen Felskomplexe, ein kleiner Burgort mit Kirche oder sogar etwas Wald. Und dieses stundenlang. Seit Pamplona heißt diese Strasse Autovia del Camino de Santiago. Damit werden die Autoreisenden bewusst als (moderne?) Pilger angesprochen. An anderen Strassen tiefer im Land steht schon mal: Achtung Santiago-Pilger kreuzen! Hier aber kreuzt nix! Kostet aber auch nix.
Burgos zur Rechten liegen lassend gehts nach Nord-Ost und schließlich steil nach Norden, nach Bilbao. Zur Linken eine sich abflachende Gebirgskette und darüber schwere schwarze Wolken. Schon 30 KM zuvor hat es angefangen zu nebeln, zu regnen und zu stürmen. Ein Weiterkommen ist schließlich unmöglich. Ich verschanze mich in einer Raststätte und nehme einen sich selbst erhitzenden Kaffee von Nes zu mir. Man drückt am Boden auf eine Wölbung und nach 40 Sekunden ist der Kaffee heiß. Dafür schmeckt er überhaupt nicht und die Flüssigkeit ist einfach zu wenig. Das Drumherum ist klobig und nur technisch interessant. Ein Mann um die knapp 40 wummert mit Harley an die Zapfsäule. Wir kommen über das Wetter ins Gespräch und verwandeln uns vor den Augen der obersten Benzinhüterin in Mondgespenster. Da bei mir alles etwas langsamer geht, komme ich erst bei Einbruch der Dunkelheit vom Acker. Es ist etwa 20 Uhr. Nebel und dünner Regen setzen erneut und mit durchdringender Macht ein, die Reisegeschwindigkeit geht gegen null. Dennoch komme ich um halbelf in Bilbao an und lande ohne es zu wissen mitten im Guggenheim-Museum. Ich lasse schließlich die Maschine bei einer menschenleeren Parkanlage stehen, rutsche eine Brücke hoch und bestaune das Bauwerk Frank O. Gehrys in nächtlicher nasser Beleuchtung.
Neben mir steht ein junger Russe. Nach einigen Sprachversuchen einigen wir uns auf englisch. Seine Schlussfrage war: Wieviel Zeit hast Du dir für Bilbao genommen? Ich sage: 30 Minuten. Er bekommt einen Lachanfall ...
In einem Raststätten-Café zurück in Richtung Autobahn höre ich, dass der Regen von San Sebastian her aufgehört hat. Der Mann der guten Nachricht möchte mir zu einem Hotelzimmer verhelfen. Er scheitert kläglich. Mittlerweile ist es schwarze Nacht. Ich fahre in Richtung San Sebastian. Lange zuvor endet die Autobahn. Der Regen hält an. Seit Tagen malträtiert mich eine Blasenentzündung, weshalb ich alle halbe Stunde von der Maschine runter muss. Die Suche nach einer geeigneten Stellfläche, der Drang und die Nässe ergeben einen einzigartigen Erlebniszusam-menhang. An der letzten Mautstelle bekomme ich den Hinweis auf ein Hotel mit freien Zimmern. Ich finde das Haus, stelle die Maschine ab und man öffnet mir das Portal.
Das unbeschreibliche Desinteresse der jungen Frau hinter der Theke an dem seltsamen Gast und seinen Nöten nachts um halbdrei gehört in das Lehrbuch für Empfangspersonal. Falls dieses baskische Gastfreundschaft darstellt, dann, ihr Lieben, muss ich Euch abraten, unter schwierigen Umständen dorten Hilfe zu erwarten. Gerne schildere ich, was da vor der Theke steht: Ein triefendes und unförmiges Unglücksgebilde in einem signalroten Regenanzug, kaum als Mensch auszumachen, weil der Helm um der Gefahr der Kopfexplosion willen noch aufsitzend, seitlich durch ein Nylontuch gedichtet, unten das struppige Kinn, die Brille weißlich angelaufen, mit konvulsivischen Bewegungen gegen das klopfende Pinkelbedürfnis, von innen heraus sich aufschwitzend. Ein Ei wird auf Dauer hart gekocht, ich aber wurde weichgekocht. Vor dem Spiegel werde ich nachher aussehen wie eine der Tatortleichen auf dem Untersuchungsschragen. Ich soll ein Melde-Formular ausfüllen, meinen Ausweis zeigen, eine Unterschrift leisten, mein Motorrad da wegstellen und zum Transport einen Caddy mitnehmen und bitte sofort bezahlen. Habt Acht vor dem ETH Hotel bei San Sebastian! immerhin gestehe ich, dass ich bei allem Elend sicher zum Fürchten ausgesehen haben muss.
Aber ich habe ein Bett, wenn auch keinen Rotwein.
Donnerstag, 2. Juli 2009
Von Sarria nach San Sebastian (Aufbruch)
zwei - sieben
Es ist halb-zehn. In wenigen Minuten kann ich aufbrechen und ohne Aufenthalte nach Würzburg zurückfahren. Die Ersatzschlüssel sind da, fast alles funktioniert. Ja, wenn der Walter noch mit von der Partie wäre!? Dann ginge es jetzt nach Portugal und nach Gibraltar.
Aber wie können wir wissen, was das Richtige ist ...
Seid also weiterhin mit Euren guten Gedanken bei mir. Ihr habt mir alle sehr geholfen und beigestanden. Wenn ich etwas allererstes sagen kann, dann dieses: Ich war nie allein!
Und ich möchte mich von Fatima, der Hotelmanagerin der Villa de Sarria, verabschieden, die einige für mich fast unlösbare Probleme wie selbstverständlich und mit Präzision gelöst hat. Sie stammt aus Marokko, was vielleicht der Grund dafür ist, dass sie mit Fremdsprachen anders umgeht als die Spanier, über welches Thema ich mich hier lieber nicht auslassen will. Aber sie geht auch mit den Menschen anders um. Nichts von Bockigkeit und Ignoranz, die ich immer dann angetroffen habe, wenn Dummheit und Trägheit den Charakter diktiert haben. Sie hat nicht nur den Gästen Aufmerksamkeit geschenkt, sondern auch ihren Mitarbeitern. Sie ist sich nicht zu schade mit anzupacken oder zu bedienen, wenn diese nicht mehr mitkommen.
Es ist halb-zehn. In wenigen Minuten kann ich aufbrechen und ohne Aufenthalte nach Würzburg zurückfahren. Die Ersatzschlüssel sind da, fast alles funktioniert. Ja, wenn der Walter noch mit von der Partie wäre!? Dann ginge es jetzt nach Portugal und nach Gibraltar.
Aber wie können wir wissen, was das Richtige ist ...
Seid also weiterhin mit Euren guten Gedanken bei mir. Ihr habt mir alle sehr geholfen und beigestanden. Wenn ich etwas allererstes sagen kann, dann dieses: Ich war nie allein!
Und ich möchte mich von Fatima, der Hotelmanagerin der Villa de Sarria, verabschieden, die einige für mich fast unlösbare Probleme wie selbstverständlich und mit Präzision gelöst hat. Sie stammt aus Marokko, was vielleicht der Grund dafür ist, dass sie mit Fremdsprachen anders umgeht als die Spanier, über welches Thema ich mich hier lieber nicht auslassen will. Aber sie geht auch mit den Menschen anders um. Nichts von Bockigkeit und Ignoranz, die ich immer dann angetroffen habe, wenn Dummheit und Trägheit den Charakter diktiert haben. Sie hat nicht nur den Gästen Aufmerksamkeit geschenkt, sondern auch ihren Mitarbeitern. Sie ist sich nicht zu schade mit anzupacken oder zu bedienen, wenn diese nicht mehr mitkommen.
Mittwoch, 1. Juli 2009
Von Santiago nach Sarria
eins - sieben
Um sieben bin ich in einer Seitenkirche in einer Messe fuer Kroaten. Es ist die einzige komplette Eucharistie, die ich auf der ganzen Reise mitgemacht habe. Ich verstehe kein einziges Wort und doch allen Sinn. Nun habe ich auf dem Compostella-Antrag angekreuzt, dass ich nicht nur aus religioesen Gruenden zum heiligen Jakob gepilgert bin. Und so haben auch diese Dinge ihre Richtigkeit.
In der Herberge haben die Jungs, die ohnehin erst um drei gekommen sind, immer noch geschlafen. Am Vorabend fanden sie die Konstruktion mit Motorrad und Fussetappen recht vale! Ich habe leise meine Sachen fertig gepackt und sitze um 11 im Bus nach Lugo.
Kurz vor zwei bin ich Sarria. Fatima weist eben einen neuen Mitarbeiter ein. Der junge Mann (mit erhöhtem Raumbedarf) steckt in einem schwarzen Anzug, spricht nur spanisch und riecht kräftig aus dem Munde. Fatima wird später sagen, dass Fremdsprachen lernen in Spanien keine Konjunktur hat und die Sache mit dem Mundgeruch nicht von ihr bearbeitet wird. Erneut erweist sie sich als grosse Hilfe. Ich habe offensichtlich meine Motorradschluessel verloren. Ich lasse deshalb von den Ersatzschluesseln gleich Kopien machen, bringe meine Sachen soweit in Ordnung und gehe mit Gérard Rivière, einem Astrophysiker aus Paris, zum Essen. Da kommen noch mal viele Aspekte zur Sprache, die mich ständig beschäftigen. Was ich hier schreibe ist zunächst eine Sammlung von Eindrücken, zur Teilhabe geeignet und zur Information. Aber dahinter steht ja auch der Auftrag, europäische und kulturelle Fragestellungen zu bearbeiten. Das ist der nächste Schritt. Dazu brauche ich die Erinnerungsstrukturen
aus dem Blog. Auch die Bilder werden noch eingefuegt.
Morgen Donnerstag, fahre ich über Bilbao zurück und hoffe, am Samstag zuhause zu sein.
Dann beginnt das gedankliche Aufräumen und Ordnen.
Um sieben bin ich in einer Seitenkirche in einer Messe fuer Kroaten. Es ist die einzige komplette Eucharistie, die ich auf der ganzen Reise mitgemacht habe. Ich verstehe kein einziges Wort und doch allen Sinn. Nun habe ich auf dem Compostella-Antrag angekreuzt, dass ich nicht nur aus religioesen Gruenden zum heiligen Jakob gepilgert bin. Und so haben auch diese Dinge ihre Richtigkeit.
In der Herberge haben die Jungs, die ohnehin erst um drei gekommen sind, immer noch geschlafen. Am Vorabend fanden sie die Konstruktion mit Motorrad und Fussetappen recht vale! Ich habe leise meine Sachen fertig gepackt und sitze um 11 im Bus nach Lugo.
Kurz vor zwei bin ich Sarria. Fatima weist eben einen neuen Mitarbeiter ein. Der junge Mann (mit erhöhtem Raumbedarf) steckt in einem schwarzen Anzug, spricht nur spanisch und riecht kräftig aus dem Munde. Fatima wird später sagen, dass Fremdsprachen lernen in Spanien keine Konjunktur hat und die Sache mit dem Mundgeruch nicht von ihr bearbeitet wird. Erneut erweist sie sich als grosse Hilfe. Ich habe offensichtlich meine Motorradschluessel verloren. Ich lasse deshalb von den Ersatzschluesseln gleich Kopien machen, bringe meine Sachen soweit in Ordnung und gehe mit Gérard Rivière, einem Astrophysiker aus Paris, zum Essen. Da kommen noch mal viele Aspekte zur Sprache, die mich ständig beschäftigen. Was ich hier schreibe ist zunächst eine Sammlung von Eindrücken, zur Teilhabe geeignet und zur Information. Aber dahinter steht ja auch der Auftrag, europäische und kulturelle Fragestellungen zu bearbeiten. Das ist der nächste Schritt. Dazu brauche ich die Erinnerungsstrukturen
aus dem Blog. Auch die Bilder werden noch eingefuegt.
Morgen Donnerstag, fahre ich über Bilbao zurück und hoffe, am Samstag zuhause zu sein.
Dann beginnt das gedankliche Aufräumen und Ordnen.
Von Arca Poudrouzo O Pino nach Santiago de Compostella
dreissig - sechs
Die morgendliche Berappelung hat reibungslos funktioniert und zumindest der Kaffee war vorbereitet. Zu meiner Verblueffung hat der Pensionschef an meinen Diabetes gedacht und die letzten Kekse vorm kuerzlichen Ableben seiner Mutter fuer mich aktiviert. Dann hat er mir vorgeschlagen, mich zwei Kilometer in den Weg hineinzufahren, was ich ... angenommen habe. 17 statt 19 KM, das fuehlt sich am Ende gut an.
Mit meinem persönlichen gesundheitlichen Problem wäre ich sehr wahrscheinlich in den Genuss des weit in die Neuzeit hinein hochwirksamen Netzes der Hospitäler gekommen. Deshalb eine Anmerkung hierzu. Nahezu alle Siedlungen entlang des Camino waren einst mit Hilfseinrichtungen ausgestattet. In Ribadiso z. B. gab es gleich mehrere Hospitäler. Darunter darf man sich kein modernes Krankenhaus vorstellen, sondern ganz schlichte Schutzräume für Bedürftige. Manche waren auch groß und mögen von staatstragender Bedeutung gewesen sein wie etwa Beaune oder die Spitäler in Würzburg. Dennoch ist die Effektivität auch der kleinsten Einheiten aufgrund der präzisen Passung bemerkenswert. Davon kann man sich rudimentär ein Bild machen, wenn die Pilger die Dienste eines Straßenfußpflegers in Anspruch nehmen. Man gibt etwas, muss aber keineswegs! Mit unseren verschiedenen Sicherungssystemen haben wir es schwer, uns eine Zeit vorzustellen, in der es dergleichen überhaupt nicht gab. Man kann die Zeit der Pest nicht mit der der Schweinegrippe vergleichen.
Hier und jetzt aber bin ich dann auch schnell am Flughafen und rieche damit schon an der grossen, so gar nicht mehr spirituellen Welt. Die Café Bars folgen dichter aufeinander, und so füllen sich die letzten Felder meines Credenzials.
Für mich war die letzte bemerkenswerte Station "meines" Weges der Monte do Gozo. Auf seiner Höhe steht eine kleine Ermita de San Marco. Inwendig könnte der Weg hier enden. Man geht aber doch zum großen Denkmal für Johannes Paul II. Dort muss Du einfach mit jemandem reden. Für mich ist es eine junge Radfahrerin aus Mainz. Im Gespräch mit ihr spüre ich, dass mit solchen Menschen Hoffnung besteht, den Problemen gewachsen zu sein. Anders als prophezeit ist der Weg durchaus angenehm, auch naturnah und nicht nur neben der Strasse. Dennoch: Sowie man an den Stadtrand gerät, ist aus mit Natur. Die Frage ist dann nur noch: Wann siehst Du die Kathedrale? Ich habe sie erst gesehen, als ich unmittelbar davor stand. Dann aber haut es einen fast um. So ein gewaltiger Baukomplex mit so vielen Fraktionen und Funktionen! Zuerst die Kathedrale selbst. Am Eingang wird allerdings gebasteltet, sodass die klassische Begruessung derzeit nicht moeglich ist. Aber man kann den Apostol umarmen und vor dem silbernen Schrein verharren. Auch eine kleine Zeit in der Pfarrkirche im linken Fluegel habe ich verbracht. Ueberall um die Kathedrale herum gibt es majestätische Architektur und tolle Musik: Ein Gitarrist spielt im Südosten eine meditativen Jazz, schwarz maskiert. Seine Musik klingt ueber den ganzen Platz. Dort auf der Treppe begegne ich zwei Männern aus Walldürn. Der jüngere hat in Wuerzburg Sonderschulpaedagogik studiert und ist jetzt mit einem älteren Freund per Fahrrad auf dem Weg in Santiago angekommen. Gerne wäre ich programmgemäss deutschen Pilgern begegnet. Aber entweder ist der Treff am Heiligen Tor ausgefallen oder wir haben was falsch gemacht. Aber auch so waren unsere Gespräche fruchtbar und haben uns einiges klar gemacht.
Zuvor allerdings habe ich alle sonstigen Dinge schnell in Ordnung bringen koennen: Unterkunft regeln, die Compostella bekommen, sich auf den Boden vor die Kathedrale legen, Fotos machen, einen Kaffee trinken, aufs Klo gehen ...
Die Altstadt um die Kathedrale herum ist das, was ich mir für dieses Mal gestatte. Der Platz ist so bedeutend, dass die Wiederholung des Besuchs unter anderen Zielen fast selbstverständlich ist.
Die morgendliche Berappelung hat reibungslos funktioniert und zumindest der Kaffee war vorbereitet. Zu meiner Verblueffung hat der Pensionschef an meinen Diabetes gedacht und die letzten Kekse vorm kuerzlichen Ableben seiner Mutter fuer mich aktiviert. Dann hat er mir vorgeschlagen, mich zwei Kilometer in den Weg hineinzufahren, was ich ... angenommen habe. 17 statt 19 KM, das fuehlt sich am Ende gut an.
Mit meinem persönlichen gesundheitlichen Problem wäre ich sehr wahrscheinlich in den Genuss des weit in die Neuzeit hinein hochwirksamen Netzes der Hospitäler gekommen. Deshalb eine Anmerkung hierzu. Nahezu alle Siedlungen entlang des Camino waren einst mit Hilfseinrichtungen ausgestattet. In Ribadiso z. B. gab es gleich mehrere Hospitäler. Darunter darf man sich kein modernes Krankenhaus vorstellen, sondern ganz schlichte Schutzräume für Bedürftige. Manche waren auch groß und mögen von staatstragender Bedeutung gewesen sein wie etwa Beaune oder die Spitäler in Würzburg. Dennoch ist die Effektivität auch der kleinsten Einheiten aufgrund der präzisen Passung bemerkenswert. Davon kann man sich rudimentär ein Bild machen, wenn die Pilger die Dienste eines Straßenfußpflegers in Anspruch nehmen. Man gibt etwas, muss aber keineswegs! Mit unseren verschiedenen Sicherungssystemen haben wir es schwer, uns eine Zeit vorzustellen, in der es dergleichen überhaupt nicht gab. Man kann die Zeit der Pest nicht mit der der Schweinegrippe vergleichen.
Hier und jetzt aber bin ich dann auch schnell am Flughafen und rieche damit schon an der grossen, so gar nicht mehr spirituellen Welt. Die Café Bars folgen dichter aufeinander, und so füllen sich die letzten Felder meines Credenzials.
Für mich war die letzte bemerkenswerte Station "meines" Weges der Monte do Gozo. Auf seiner Höhe steht eine kleine Ermita de San Marco. Inwendig könnte der Weg hier enden. Man geht aber doch zum großen Denkmal für Johannes Paul II. Dort muss Du einfach mit jemandem reden. Für mich ist es eine junge Radfahrerin aus Mainz. Im Gespräch mit ihr spüre ich, dass mit solchen Menschen Hoffnung besteht, den Problemen gewachsen zu sein. Anders als prophezeit ist der Weg durchaus angenehm, auch naturnah und nicht nur neben der Strasse. Dennoch: Sowie man an den Stadtrand gerät, ist aus mit Natur. Die Frage ist dann nur noch: Wann siehst Du die Kathedrale? Ich habe sie erst gesehen, als ich unmittelbar davor stand. Dann aber haut es einen fast um. So ein gewaltiger Baukomplex mit so vielen Fraktionen und Funktionen! Zuerst die Kathedrale selbst. Am Eingang wird allerdings gebasteltet, sodass die klassische Begruessung derzeit nicht moeglich ist. Aber man kann den Apostol umarmen und vor dem silbernen Schrein verharren. Auch eine kleine Zeit in der Pfarrkirche im linken Fluegel habe ich verbracht. Ueberall um die Kathedrale herum gibt es majestätische Architektur und tolle Musik: Ein Gitarrist spielt im Südosten eine meditativen Jazz, schwarz maskiert. Seine Musik klingt ueber den ganzen Platz. Dort auf der Treppe begegne ich zwei Männern aus Walldürn. Der jüngere hat in Wuerzburg Sonderschulpaedagogik studiert und ist jetzt mit einem älteren Freund per Fahrrad auf dem Weg in Santiago angekommen. Gerne wäre ich programmgemäss deutschen Pilgern begegnet. Aber entweder ist der Treff am Heiligen Tor ausgefallen oder wir haben was falsch gemacht. Aber auch so waren unsere Gespräche fruchtbar und haben uns einiges klar gemacht.
Zuvor allerdings habe ich alle sonstigen Dinge schnell in Ordnung bringen koennen: Unterkunft regeln, die Compostella bekommen, sich auf den Boden vor die Kathedrale legen, Fotos machen, einen Kaffee trinken, aufs Klo gehen ...
Die Altstadt um die Kathedrale herum ist das, was ich mir für dieses Mal gestatte. Der Platz ist so bedeutend, dass die Wiederholung des Besuchs unter anderen Zielen fast selbstverständlich ist.
Montag, 29. Juni 2009
Von Arzua (Rendal) nach Arca
neunundzwanzig - sechs
Es herrschen galizische Verhaeltnisse: Der Himmel haengt voll schwerer Wolken, es koennte auch jederzeit regnen, aber durch irgendein Loch findet die Sonne einen Weg und taucht alles in ein daemmrig-schoenes Licht. Der einzige Fussweg, den man nach draussen gehen moechte ist der zum Zapfhahn einer Bar.
Ihr ratet richtig! Ich bin am vorletzten Etappenort, in Arca angekommen. Der Ort heisst politisch O Pino oder frueher noch Pedrouzo. Hier ist Feiertag und ruhiger als gestern. Dennoch sehe ich Leute, die schwarz am Neubau arbeiten und Fliessen verlegen. Einkaufen geht nicht, kein Kaese, kein Wein!
Am Morgen gibt es keinen Gottesdienst in der kleinen Kirche San Verísimo de Ferreiros. Drum herum ist Friedhof, mehrstoeckig und, viel aelter, Grab an Grab flach im Boden. Ein schoener Platz zum Feiern nebenan. Mit einem Hochkreuz aus dem 17. Jh. (Der Mutter Gottes, Ruecken an Ruecken mit dem Gekreuzigten, hat der Bildhauer ein riesiges Schwert ins Herz gerammt), einer Tribuene und einem dramatisch platzierten Brunnen. Feste fuer Leben und Tod, alles geordnet beieinander.
Ein Mann um die 60 ueberholt mich. Er schiebt einen 6-raedrigen HighTech-Karren vor sich her und rennt nach Salzmann- oder Brieftraeger-Art mit grossen Schritten. Hier geht das. Der oesterreichische Dieter hat den seinen geschleppt. Wenig spaeter macht er Pause. Ich kann sehen, dass er noch einen Rucksack traegt, was mir vor lauter Verblueffung nicht aufgefallen war. Er ist Schweizer. Haette ich mir denken choennen. Er kann das nicht anders. Er braucht viel Zeug, vieles, was niemand braucht. Der Gedanke, etwas zu brauchen und nicht dabei zu haben, ist ihm nicht ertraeglich. Angst, dass ihm etwas geschdoolen wird, hat er nicht. Der Alu-Karren faellt auf und bis sich jemand darin orientiert hat, ist er entdeckt. Ausserdem muss man das Ding auch beherrschen. In Frankreich waere er damit grandios gescheitert. Hier sind die Wege ja fast luxuriös breit. Das ist auch nötig, denn der Strom der Pilger ist angeschwollen. Ich werde ständig überholt, aber ich überhole auch selbst(!). Meist Leute, die nur noch kriechen können. Ein Paar um die 40 aus Wales geht ganz langsam, er ein zwei-Meter-Mann mit einem schmerzenden Fussgelenk. Ich habe Gelegenheit zu fragen, ob ich helfen kann, als er am Wegrand sitzt und sich den rechten Schuh ausgezogen hat. Während ich sein Gelenk mit Aloe-Vera-Gel sanft einreibe, und die Schwellung verblüffend schnell zurückgeht, erfahre ich, dass sie sich scheiden lassen wollen und diese Reise der letzte Versuch sei, etwas gemeinsam zu unternehmen. Ich gebe ihm noch eine Schmerztablette, die er gehorsam schluckt. Sie sagt mir zum Schluss in gutem Deutsch, nichts gehe ihm schnell genug. Alles ist besser, wenn man dabei überlegt, welches die richtige Geschwindigkeit sei. Alles ist offen.
Vielleicht gibt man in der Übung des Gehens und des Pilgerns dem Körper ein gut Teil seiner animalischen Intelligenz zurück. Der zivilisierte Stadtmensch tut alles, um Stolperkanten aller Art zu beseitigen. Modebewusste Frauen kritisieren eine neue Bepflasterung, wenn sie nicht stöckelschuhbewusst ausgeführt ist. An die Eisenbeschläge erinnert sich kaum jemand mehr. Die Vielgestaltigkeit der Wanderstrecken trainiert den Bewegungsmechanismus auf Variabilität hin. Kurz: Man hebt den Fuß etwas höher! Das bedeutet Befreiung für den denkenden Kopf, dessen Augen jetzt freier und in anderem Winkel in die Welt schauen kann.
"De nuevo" kann man sagen, wenn man sich nicht staendig buen camino sagen will, das heisst dann soviel wie "gilt immer noch!" Bei Ras im Wirtshaus kommt eine Frau herein. Sie bittet um die Speisekarte und liest lange an der Theke stehend darin. Dann bestellt sie eine Portion Pommes Frites und Wasser. Der Barmann fragt, ob sie Brot dazu haben will. Sie bejaht. Meinen Kulturschock hat sie offenbar bemerkt. Als sie mich spaeter zum wievielten Male ueberholt, erklaert sie in mir gut verstaendlichem Spanisch, dass die Fritten am Weg wirklich zuverlaessig gut seien. Das ganze Zeug mit Tintenfisch und Innereien ist nur was fuer Spezialisten. Ausserdem bringt das Denken an die Variationen des Essens den Fluss der Fantasie durcheinander. Ich stelle fest, dass ich, ausser wenn der Magen vernehmbar knurrt, seit Wochen ueberhaupt nicht ans Essen denke. Tatsaechlich habe ich unterwegs viele Romane entworfen und meine Beobachtungen in Geschichten eingebaut. Wenn ich das nicht mache, vergesse ich alles wieder ziemlich schnell.
In dieser Pension gibt es heute nichts mehr zu essen. Ich werde noch mal einen naechtlichen Marsch ins Staedtchen machen.
Es herrschen galizische Verhaeltnisse: Der Himmel haengt voll schwerer Wolken, es koennte auch jederzeit regnen, aber durch irgendein Loch findet die Sonne einen Weg und taucht alles in ein daemmrig-schoenes Licht. Der einzige Fussweg, den man nach draussen gehen moechte ist der zum Zapfhahn einer Bar.
Ihr ratet richtig! Ich bin am vorletzten Etappenort, in Arca angekommen. Der Ort heisst politisch O Pino oder frueher noch Pedrouzo. Hier ist Feiertag und ruhiger als gestern. Dennoch sehe ich Leute, die schwarz am Neubau arbeiten und Fliessen verlegen. Einkaufen geht nicht, kein Kaese, kein Wein!
Am Morgen gibt es keinen Gottesdienst in der kleinen Kirche San Verísimo de Ferreiros. Drum herum ist Friedhof, mehrstoeckig und, viel aelter, Grab an Grab flach im Boden. Ein schoener Platz zum Feiern nebenan. Mit einem Hochkreuz aus dem 17. Jh. (Der Mutter Gottes, Ruecken an Ruecken mit dem Gekreuzigten, hat der Bildhauer ein riesiges Schwert ins Herz gerammt), einer Tribuene und einem dramatisch platzierten Brunnen. Feste fuer Leben und Tod, alles geordnet beieinander.
Ein Mann um die 60 ueberholt mich. Er schiebt einen 6-raedrigen HighTech-Karren vor sich her und rennt nach Salzmann- oder Brieftraeger-Art mit grossen Schritten. Hier geht das. Der oesterreichische Dieter hat den seinen geschleppt. Wenig spaeter macht er Pause. Ich kann sehen, dass er noch einen Rucksack traegt, was mir vor lauter Verblueffung nicht aufgefallen war. Er ist Schweizer. Haette ich mir denken choennen. Er kann das nicht anders. Er braucht viel Zeug, vieles, was niemand braucht. Der Gedanke, etwas zu brauchen und nicht dabei zu haben, ist ihm nicht ertraeglich. Angst, dass ihm etwas geschdoolen wird, hat er nicht. Der Alu-Karren faellt auf und bis sich jemand darin orientiert hat, ist er entdeckt. Ausserdem muss man das Ding auch beherrschen. In Frankreich waere er damit grandios gescheitert. Hier sind die Wege ja fast luxuriös breit. Das ist auch nötig, denn der Strom der Pilger ist angeschwollen. Ich werde ständig überholt, aber ich überhole auch selbst(!). Meist Leute, die nur noch kriechen können. Ein Paar um die 40 aus Wales geht ganz langsam, er ein zwei-Meter-Mann mit einem schmerzenden Fussgelenk. Ich habe Gelegenheit zu fragen, ob ich helfen kann, als er am Wegrand sitzt und sich den rechten Schuh ausgezogen hat. Während ich sein Gelenk mit Aloe-Vera-Gel sanft einreibe, und die Schwellung verblüffend schnell zurückgeht, erfahre ich, dass sie sich scheiden lassen wollen und diese Reise der letzte Versuch sei, etwas gemeinsam zu unternehmen. Ich gebe ihm noch eine Schmerztablette, die er gehorsam schluckt. Sie sagt mir zum Schluss in gutem Deutsch, nichts gehe ihm schnell genug. Alles ist besser, wenn man dabei überlegt, welches die richtige Geschwindigkeit sei. Alles ist offen.
Vielleicht gibt man in der Übung des Gehens und des Pilgerns dem Körper ein gut Teil seiner animalischen Intelligenz zurück. Der zivilisierte Stadtmensch tut alles, um Stolperkanten aller Art zu beseitigen. Modebewusste Frauen kritisieren eine neue Bepflasterung, wenn sie nicht stöckelschuhbewusst ausgeführt ist. An die Eisenbeschläge erinnert sich kaum jemand mehr. Die Vielgestaltigkeit der Wanderstrecken trainiert den Bewegungsmechanismus auf Variabilität hin. Kurz: Man hebt den Fuß etwas höher! Das bedeutet Befreiung für den denkenden Kopf, dessen Augen jetzt freier und in anderem Winkel in die Welt schauen kann.
"De nuevo" kann man sagen, wenn man sich nicht staendig buen camino sagen will, das heisst dann soviel wie "gilt immer noch!" Bei Ras im Wirtshaus kommt eine Frau herein. Sie bittet um die Speisekarte und liest lange an der Theke stehend darin. Dann bestellt sie eine Portion Pommes Frites und Wasser. Der Barmann fragt, ob sie Brot dazu haben will. Sie bejaht. Meinen Kulturschock hat sie offenbar bemerkt. Als sie mich spaeter zum wievielten Male ueberholt, erklaert sie in mir gut verstaendlichem Spanisch, dass die Fritten am Weg wirklich zuverlaessig gut seien. Das ganze Zeug mit Tintenfisch und Innereien ist nur was fuer Spezialisten. Ausserdem bringt das Denken an die Variationen des Essens den Fluss der Fantasie durcheinander. Ich stelle fest, dass ich, ausser wenn der Magen vernehmbar knurrt, seit Wochen ueberhaupt nicht ans Essen denke. Tatsaechlich habe ich unterwegs viele Romane entworfen und meine Beobachtungen in Geschichten eingebaut. Wenn ich das nicht mache, vergesse ich alles wieder ziemlich schnell.
In dieser Pension gibt es heute nichts mehr zu essen. Ich werde noch mal einen naechtlichen Marsch ins Staedtchen machen.
Von Palas de Rei nach Arzua (Ribadiso/Rendal)
achtundzwanzig - sechs
Meinen Reiseführer habe ich wegen des Gewichts nicht mitgenommen. Deshalb weiß ich jetzt erst, dass das ganze Kirchspiel von Palas de Rei mit romanischen Kirchen voll gestellt ist. Wegen des sehr durchwachsenen Himmels gehe ich wie alle anderen einfach vor mich hin, ohne an Sehenswürdigkeiten zu denken. In allen Fällen hätte ich etwas Umweg in Kauf nehmen müssen: Zum Castillo de Pambre oder dem von Felpos, einer Räuberfeste.
Das Hochkreuz bei Leboreiro steht zwar ganz allein, aber so aufdringlich am Weg, dass man einfach anhält. Solche Kreuze finden sich überall und sehen auf den ersten Blick alle gleich aus. Das muss früher ganz anders gewesen sein. Da war es einfach wichtiger, die Unterschiede schnell zu identifizieren, der Blick und Zutritt zu den Details gelang weitaus erfolgreicher als uns heutigen. An der Calzada empedrada de Leboreiro bleiben die Pilger stehen und fotografieren; während meiner eigenen Pause bleiben einige stehen und schlagen ein Kreuz, gehen weiter. So haben wir das als Kinder auch gemacht.
Der Mann aus Saumur und Arthur.
Schon seit dem Ortsausgang von Palas sind die beiden mal vor, mal hinter mir. Arthur ist ein schwarzer Esel, der ungemein intelligent und hälinge aus den Augen guckt. Ich bin davon überzeugt, dass er seinen Herrn und Meister ein ums andere Mal über den Tisch zieht. Im Gespräch mit ihm fällt mir auf, dass viele auf dem Weg zwar nach Santiago wollen, aber .... nicht dieses Mal, mal sehen obs dies Mal reicht, wenn der Urlaub reicht, wenn die Familie nicht Hilfe ruft, wenns Geld reicht ... Im möglichen Gegensatz zu anderen Zeiten sind die Motivationsqualitäten heute breiter angelegt. Die juristische oder auch die soziale Dimension sind dagegen nicht mehr aktuell.
Die Hochzeitsreise
Das Paar hat sich vor drei Jahren auf dem Camino kennengelernt, jetzt sind sie verheiratet und das erste Kind kommt im November, reist also schon aktiv mit. Beide haben deutsch-österreichisch-französische Eltern und sind in beiden Kulturräumen gut zuhause. Nachdem sie nach Leboreiro langsam auf mich aufgelaufen waren und nach den ersten Kontaktversuchen einigen wir uns auf deutsch. Der Weg ist für diese jungen Europäer zuerst ein persönlicher Schicksalsweg im umfassenden Sinne. An seiner langen Leine können sie viele wichtige Ereignisse aufhängen. Sie wirken sehr relaxt und glücklich. Ich will in Melide eine Pause machen, sie wollen bis Arzua kommen. Es beginnt zu regnen.
Die Philosophin
Kann man auf dem Weg Effekten der Globalisierung begegnen, technisch und wirtschaftlich? In der kleinsten eben noch bewohnbaren Hütte gibt es Satellitenfernsehen und Mobiltelefon. Ich habe den Eindruck, dass eine gute Bar nur in einer möglichst zusammenbrechenden Halbruine Erfolg haben kann. Hinter der Theke stehen alle trinkbaren Genüsse dieser Welt und noch ein paar unbekannte dazu. Das ist Camino-Design. Anders liegen die Dinge auf der kulturellen Plattform. Meine Gesprächspartnerin zwischen Boente und Ribadiso ist eine französische Philosophie-dozentin, die bis dato in Kanada unter Vertrag stand, jetzt aber nach Frankreich zurückkehren will. Dabei wirkt sich die kontinentale Praxis aus, entgegen den erklärten Absichten doch vor allem Lehrer mit Aggregation an die Hochschulen zu holen. Alle wissen, dass die Ausschließlichkeit dieser Praxis unangemessen ist, aber im Wettbewerb doch zum Tragen kommt. Soll sie also die Aggregation noch dran hängen oder ... Der alte Mann in mir sagt: Nein, es gibt noch andere schöne Dinge im Leben. Der jüngere Mann sagt: Ja! Es ist ein Gebot der Vernunft. Dann, wenn du dich nicht korrumpieren lässt, was schwer genug ist, kannst du von dieser Warte aus die Entwicklung weitertreiben. (In Santiago werden wir uns noch mal über den Weg laufen.)
Im Hotel von Palas de rei haben wir vereinbart, dass ich in Ribadiso nach Anruf abgeholt werden würde. Völlig durchnässt, sodass mir das Kondenswasser aus den Ärmeln läuft, lange ich in Rendal an. Ich beziehe mein Zimmer und bekomme ein Privatabendessen vom Feinsten. Mit einem ordentlichen Roten vom Duero, der mich in den Schlaf wuggelt.
Meinen Reiseführer habe ich wegen des Gewichts nicht mitgenommen. Deshalb weiß ich jetzt erst, dass das ganze Kirchspiel von Palas de Rei mit romanischen Kirchen voll gestellt ist. Wegen des sehr durchwachsenen Himmels gehe ich wie alle anderen einfach vor mich hin, ohne an Sehenswürdigkeiten zu denken. In allen Fällen hätte ich etwas Umweg in Kauf nehmen müssen: Zum Castillo de Pambre oder dem von Felpos, einer Räuberfeste.
Das Hochkreuz bei Leboreiro steht zwar ganz allein, aber so aufdringlich am Weg, dass man einfach anhält. Solche Kreuze finden sich überall und sehen auf den ersten Blick alle gleich aus. Das muss früher ganz anders gewesen sein. Da war es einfach wichtiger, die Unterschiede schnell zu identifizieren, der Blick und Zutritt zu den Details gelang weitaus erfolgreicher als uns heutigen. An der Calzada empedrada de Leboreiro bleiben die Pilger stehen und fotografieren; während meiner eigenen Pause bleiben einige stehen und schlagen ein Kreuz, gehen weiter. So haben wir das als Kinder auch gemacht.
Der Mann aus Saumur und Arthur.
Schon seit dem Ortsausgang von Palas sind die beiden mal vor, mal hinter mir. Arthur ist ein schwarzer Esel, der ungemein intelligent und hälinge aus den Augen guckt. Ich bin davon überzeugt, dass er seinen Herrn und Meister ein ums andere Mal über den Tisch zieht. Im Gespräch mit ihm fällt mir auf, dass viele auf dem Weg zwar nach Santiago wollen, aber .... nicht dieses Mal, mal sehen obs dies Mal reicht, wenn der Urlaub reicht, wenn die Familie nicht Hilfe ruft, wenns Geld reicht ... Im möglichen Gegensatz zu anderen Zeiten sind die Motivationsqualitäten heute breiter angelegt. Die juristische oder auch die soziale Dimension sind dagegen nicht mehr aktuell.
Die Hochzeitsreise
Das Paar hat sich vor drei Jahren auf dem Camino kennengelernt, jetzt sind sie verheiratet und das erste Kind kommt im November, reist also schon aktiv mit. Beide haben deutsch-österreichisch-französische Eltern und sind in beiden Kulturräumen gut zuhause. Nachdem sie nach Leboreiro langsam auf mich aufgelaufen waren und nach den ersten Kontaktversuchen einigen wir uns auf deutsch. Der Weg ist für diese jungen Europäer zuerst ein persönlicher Schicksalsweg im umfassenden Sinne. An seiner langen Leine können sie viele wichtige Ereignisse aufhängen. Sie wirken sehr relaxt und glücklich. Ich will in Melide eine Pause machen, sie wollen bis Arzua kommen. Es beginnt zu regnen.
Die Philosophin
Kann man auf dem Weg Effekten der Globalisierung begegnen, technisch und wirtschaftlich? In der kleinsten eben noch bewohnbaren Hütte gibt es Satellitenfernsehen und Mobiltelefon. Ich habe den Eindruck, dass eine gute Bar nur in einer möglichst zusammenbrechenden Halbruine Erfolg haben kann. Hinter der Theke stehen alle trinkbaren Genüsse dieser Welt und noch ein paar unbekannte dazu. Das ist Camino-Design. Anders liegen die Dinge auf der kulturellen Plattform. Meine Gesprächspartnerin zwischen Boente und Ribadiso ist eine französische Philosophie-dozentin, die bis dato in Kanada unter Vertrag stand, jetzt aber nach Frankreich zurückkehren will. Dabei wirkt sich die kontinentale Praxis aus, entgegen den erklärten Absichten doch vor allem Lehrer mit Aggregation an die Hochschulen zu holen. Alle wissen, dass die Ausschließlichkeit dieser Praxis unangemessen ist, aber im Wettbewerb doch zum Tragen kommt. Soll sie also die Aggregation noch dran hängen oder ... Der alte Mann in mir sagt: Nein, es gibt noch andere schöne Dinge im Leben. Der jüngere Mann sagt: Ja! Es ist ein Gebot der Vernunft. Dann, wenn du dich nicht korrumpieren lässt, was schwer genug ist, kannst du von dieser Warte aus die Entwicklung weitertreiben. (In Santiago werden wir uns noch mal über den Weg laufen.)
Im Hotel von Palas de rei haben wir vereinbart, dass ich in Ribadiso nach Anruf abgeholt werden würde. Völlig durchnässt, sodass mir das Kondenswasser aus den Ärmeln läuft, lange ich in Rendal an. Ich beziehe mein Zimmer und bekomme ein Privatabendessen vom Feinsten. Mit einem ordentlichen Roten vom Duero, der mich in den Schlaf wuggelt.
Von Portomarin nach Palas de Rei
siebenundzwanzig - sechs
Blauer Himmel und angenehm kuehl. Mein Blick geht ueber den See und wenn ich mich nicht schon wieder ueber das unwuerdige Fruehstueck aufregen muesste ...
Ich starte kurz nach neun und bin fast ohne Schwitzen schnell in Toxibo. Nach einem kurzen Stueck der Strasse entlang sehe ich eher zufaellig mal zurueck. Ihr Lieben, so etwas habt Ihr noch nicht gesehen. Man meint, ein Dorf verlaesst komplett den Platz. Ich habe bei 100 aufgehoert zu zaehlen, darunter viele Radfahrer, die schnell auf einen zufahren und dann wieder weg sind. Portomarin liegt etwa 5 Kilometer zurueck. Offenbar treiben die Erfahrungswerte und Empfehlungen der Reisefuehrer die Pilger alle zur gleichen Zeit aus den Betten. Zwei Gruppen mit Eseln, ein Einzelwanderer mit Esel.
Ein Rollstuhlfahrer mit Begleitung, eine Behindertengruppe einbeinig mit Stoecken. Ich habe kein einziges Foto gemacht, weil mir das alles indiskret vorkommt. Aber ich habe mich auf eine Steinbank gesetzt und habe die komplette Voelkerwanderung an mir vorbeiziehen lassen.
Stunden spaeter kommt mir, laut und ununterbrochen in ein Handy bruellend, ein Blinder entgegen. Vielleicht hat er eine Kamera am Kopf, denn er hat es offenbar eilig, auch aus dem Handy kommy Gebruell. Sein langer Stock beruehrt kaum den Weg. Es ist unwirklich. Ich hoere ihn noch nach hundert Metern.
Dazu kommt, dass der Weg wirklich wunderschoen ist. Weit abseits von den Autos verteilt sich das Getoese auf die Weite der Landschaft.
Um vier bin ich zum eigenen und dem Erstaunen der Hotelliere in Palas de Rei. Die wollen naemlich immer wissen, bis wann man ankommt. Wozu auch immer!
Ich richte mich ein und kaufe mir endlich eine Wasserflasche.
Blauer Himmel und angenehm kuehl. Mein Blick geht ueber den See und wenn ich mich nicht schon wieder ueber das unwuerdige Fruehstueck aufregen muesste ...
Ich starte kurz nach neun und bin fast ohne Schwitzen schnell in Toxibo. Nach einem kurzen Stueck der Strasse entlang sehe ich eher zufaellig mal zurueck. Ihr Lieben, so etwas habt Ihr noch nicht gesehen. Man meint, ein Dorf verlaesst komplett den Platz. Ich habe bei 100 aufgehoert zu zaehlen, darunter viele Radfahrer, die schnell auf einen zufahren und dann wieder weg sind. Portomarin liegt etwa 5 Kilometer zurueck. Offenbar treiben die Erfahrungswerte und Empfehlungen der Reisefuehrer die Pilger alle zur gleichen Zeit aus den Betten. Zwei Gruppen mit Eseln, ein Einzelwanderer mit Esel.
Ein Rollstuhlfahrer mit Begleitung, eine Behindertengruppe einbeinig mit Stoecken. Ich habe kein einziges Foto gemacht, weil mir das alles indiskret vorkommt. Aber ich habe mich auf eine Steinbank gesetzt und habe die komplette Voelkerwanderung an mir vorbeiziehen lassen.
Stunden spaeter kommt mir, laut und ununterbrochen in ein Handy bruellend, ein Blinder entgegen. Vielleicht hat er eine Kamera am Kopf, denn er hat es offenbar eilig, auch aus dem Handy kommy Gebruell. Sein langer Stock beruehrt kaum den Weg. Es ist unwirklich. Ich hoere ihn noch nach hundert Metern.
Dazu kommt, dass der Weg wirklich wunderschoen ist. Weit abseits von den Autos verteilt sich das Getoese auf die Weite der Landschaft.
Um vier bin ich zum eigenen und dem Erstaunen der Hotelliere in Palas de Rei. Die wollen naemlich immer wissen, bis wann man ankommt. Wozu auch immer!
Ich richte mich ein und kaufe mir endlich eine Wasserflasche.
Von Sarria nach Portomarin
sechsundzwanzig - sechs
Wenn die angebotenen Internetstationen funktionieren wuerden, die Passwoerter bekannt waeren oder gar jemand den Schluessel fuer den Schrank haette, ja dann haette ich mich nicht so (voreilig) verabschieden muessen. Nur einmal gibt es kein Internet und selbst dann haette jemand aktiviert werden koennen.
Aber der Reihe nach. Sarria ist noch ganz ruhig, vielleicht erschoepft vom Feiern. Ich muss das Moped nach mal umstellen und das Gepaeck endgueltig versorgen. Fatima hat fuer alles Loesungen. Schliesslich sucht sie noch die Abfahrtszeiten fuer die Rueckreise heraus. Ich ernenne sie zum Erzengel meiner Reise.
Der lange, mehrfach nur kurz unterbrochene Anstieg ueber Burg und Kloster treibt mir den Cafè con leche aus allen Poren heraus. Ich muss den Unsinn mit dem vielen Fruehstueckstrinken lassen. Ich sehe mich eher als Versuchsmaschine eines staub-bindenden Strassenbetraeuflers denn als serioeser Pilger. Von denen sind jetzt viele tuechtige und leichtfuessige Exemplare unterwegs. Ach wie gut, dass keiner weiss ... Ich werde mit ernsten Augen angeguckt und man sagt zu mir Buen Camino! Spaeter, das verrate ich jetzt schon, kommt oft noch ein Lachen in den Winkeln dazu. Gleich im ersten Tal gehen vor mir zwei alte Leute, die zusammen ein Kreuz tragen. Beim Naeherkommen erweist sich aber, dass er eine Leiter, sie Leseholz traegt. Es sind einfache Bauern, die nur eben mal ein Stueck Camino gehen. Was werde ich noch alles sehen, was sich dann ...
Fast auf der Hoehe angekommen, ueberholen mich schnaufend zwei juengere Leute auf Klappraedern. Hintendrauf, wie Klammeraffen die Kinder. Drei Tage lang sind die vier staendig in meiner Naehe, weil sie lange Pausen in den Restaurants machen. Der Junge kraeht mit groesstem Vergnuegen immer wieder buen camino. Bei dritten oder vierten Mal erfahre ich, dass die Fahrt die Durchfuehrung eines Geburtstagswunsches ist. Ich habe nicht herausbekommen, wer der Wuenschende ist. Nebenan liegt eine kleine umfriedete Kirche. Romanisch natuerlich. Der sehr alte Pfarrer kommt mir kurz vor dem Tor entgegen. Er geht zurueck, oeffnet seine Kirche, setzt sich auf seinen Stuhl und beginnt einen Vortrag. Sein einst wundervoller Sermón wird leider durch die verunglueckten Bemuehungen seines Zahnarztes zu einem Gebrummel deformiert, was auch ihm selbst auffaellt. Von dem Ganzen verstehe ich immerhin, dass die Aufmerksamkeit vor allem dem praeromanischen Tuersturz auf der Innenseite des Portals zu gelten hat.
Auch bei der romanischen Kapelle von Santa Maria de Velante = die meisten Leute rennen an den Kirchen vorbei, dabei ist eine schoener als die andere, leider meist geschlossen = gibt es eine Bar. Hinter der Theke eine schwarze Barfrau mit einer schier unglaublichen Ausstrahlung. Vor der Bar eine junge Frau, die mich auf franzoesisch fragt, ob ich die Stempel haben will. Ich will und wie, nur damit ich noch einige Male in das lachende Gesicht der Barfrau gucken kann.
Es gibt einen fuer die Etappe und einen fuer die Kirche. Also: Man rennt ja nicht in jede Bar am Wege, aber wer diese schwarze Frau sieht, stellt sich ein Paar Fragen ..
Wenig danach ueberholt mich ein junger Mann, ein Cellist, Kammermusiker aus Wien.
Wir kommen ueber das Obertonsingen und das Cello auf das Welttheater im Allgemeinen und Fragen zum Musikereinkommen im Besonderen. Das Wandern geht schneller und leichter, so kommt es mir vor. Wir nehmen einen Kaffee. er wird freundlich von anderen begruesst, die meinen, er solle doch gleich hier bleiben, Portomarin sei ein Loch, gegen das hier. Das Komma ist von Bedeutung.
Wir gehen noch ein Stueck, dann muss er beschleunigen. Was hat ihn auf den Weg gebracht. Einmal ein lang gehegter Wunsch, dann guenstige Bedingungen, ein Produktionsloch gewissermassen. Die materiellen Mittel und eine gewisse Freiheit der Entscheidung gehoeren auch dazu.
Portomarin ist ein ganz neuere Ort. Das Anstauen eines Wasserreservoirs hat die Verlegung eines ganzen Dorf bewirkt. Die romanische Burgkirche wurde ab= und an anderer Stelle wieder aufgebaut. Drumherum Platz fuer Arkaden und stabile Haeuser.
Dahinter alles Notwendige, Bars, Polizei, Herbergen etc. Wegen eines Missverstaendnisses bekomme ich einen Liter frischen Orangensaft zubereitet. 10 Euro muss ich dafuer bezahlen. Aber geschmeckt hats maerchenhaft.
Auch ein Weg von tausend Meilen beginnt mit einem Schritt. (Japanische Weisheit)
Wenn die angebotenen Internetstationen funktionieren wuerden, die Passwoerter bekannt waeren oder gar jemand den Schluessel fuer den Schrank haette, ja dann haette ich mich nicht so (voreilig) verabschieden muessen. Nur einmal gibt es kein Internet und selbst dann haette jemand aktiviert werden koennen.
Aber der Reihe nach. Sarria ist noch ganz ruhig, vielleicht erschoepft vom Feiern. Ich muss das Moped nach mal umstellen und das Gepaeck endgueltig versorgen. Fatima hat fuer alles Loesungen. Schliesslich sucht sie noch die Abfahrtszeiten fuer die Rueckreise heraus. Ich ernenne sie zum Erzengel meiner Reise.
Der lange, mehrfach nur kurz unterbrochene Anstieg ueber Burg und Kloster treibt mir den Cafè con leche aus allen Poren heraus. Ich muss den Unsinn mit dem vielen Fruehstueckstrinken lassen. Ich sehe mich eher als Versuchsmaschine eines staub-bindenden Strassenbetraeuflers denn als serioeser Pilger. Von denen sind jetzt viele tuechtige und leichtfuessige Exemplare unterwegs. Ach wie gut, dass keiner weiss ... Ich werde mit ernsten Augen angeguckt und man sagt zu mir Buen Camino! Spaeter, das verrate ich jetzt schon, kommt oft noch ein Lachen in den Winkeln dazu. Gleich im ersten Tal gehen vor mir zwei alte Leute, die zusammen ein Kreuz tragen. Beim Naeherkommen erweist sich aber, dass er eine Leiter, sie Leseholz traegt. Es sind einfache Bauern, die nur eben mal ein Stueck Camino gehen. Was werde ich noch alles sehen, was sich dann ...
Fast auf der Hoehe angekommen, ueberholen mich schnaufend zwei juengere Leute auf Klappraedern. Hintendrauf, wie Klammeraffen die Kinder. Drei Tage lang sind die vier staendig in meiner Naehe, weil sie lange Pausen in den Restaurants machen. Der Junge kraeht mit groesstem Vergnuegen immer wieder buen camino. Bei dritten oder vierten Mal erfahre ich, dass die Fahrt die Durchfuehrung eines Geburtstagswunsches ist. Ich habe nicht herausbekommen, wer der Wuenschende ist. Nebenan liegt eine kleine umfriedete Kirche. Romanisch natuerlich. Der sehr alte Pfarrer kommt mir kurz vor dem Tor entgegen. Er geht zurueck, oeffnet seine Kirche, setzt sich auf seinen Stuhl und beginnt einen Vortrag. Sein einst wundervoller Sermón wird leider durch die verunglueckten Bemuehungen seines Zahnarztes zu einem Gebrummel deformiert, was auch ihm selbst auffaellt. Von dem Ganzen verstehe ich immerhin, dass die Aufmerksamkeit vor allem dem praeromanischen Tuersturz auf der Innenseite des Portals zu gelten hat.
Auch bei der romanischen Kapelle von Santa Maria de Velante = die meisten Leute rennen an den Kirchen vorbei, dabei ist eine schoener als die andere, leider meist geschlossen = gibt es eine Bar. Hinter der Theke eine schwarze Barfrau mit einer schier unglaublichen Ausstrahlung. Vor der Bar eine junge Frau, die mich auf franzoesisch fragt, ob ich die Stempel haben will. Ich will und wie, nur damit ich noch einige Male in das lachende Gesicht der Barfrau gucken kann.
Es gibt einen fuer die Etappe und einen fuer die Kirche. Also: Man rennt ja nicht in jede Bar am Wege, aber wer diese schwarze Frau sieht, stellt sich ein Paar Fragen ..
Wenig danach ueberholt mich ein junger Mann, ein Cellist, Kammermusiker aus Wien.
Wir kommen ueber das Obertonsingen und das Cello auf das Welttheater im Allgemeinen und Fragen zum Musikereinkommen im Besonderen. Das Wandern geht schneller und leichter, so kommt es mir vor. Wir nehmen einen Kaffee. er wird freundlich von anderen begruesst, die meinen, er solle doch gleich hier bleiben, Portomarin sei ein Loch, gegen das hier. Das Komma ist von Bedeutung.
Wir gehen noch ein Stueck, dann muss er beschleunigen. Was hat ihn auf den Weg gebracht. Einmal ein lang gehegter Wunsch, dann guenstige Bedingungen, ein Produktionsloch gewissermassen. Die materiellen Mittel und eine gewisse Freiheit der Entscheidung gehoeren auch dazu.
Portomarin ist ein ganz neuere Ort. Das Anstauen eines Wasserreservoirs hat die Verlegung eines ganzen Dorf bewirkt. Die romanische Burgkirche wurde ab= und an anderer Stelle wieder aufgebaut. Drumherum Platz fuer Arkaden und stabile Haeuser.
Dahinter alles Notwendige, Bars, Polizei, Herbergen etc. Wegen eines Missverstaendnisses bekomme ich einen Liter frischen Orangensaft zubereitet. 10 Euro muss ich dafuer bezahlen. Aber geschmeckt hats maerchenhaft.
Auch ein Weg von tausend Meilen beginnt mit einem Schritt. (Japanische Weisheit)
Donnerstag, 25. Juni 2009
Von Carrion de los Condes nach Sarria
fünfundzwanzig – sechs
Kurz nach elf habe ich gemerkt, dass ich mich jetzt beeilen muss, um das Zimmer frei zu geben. Um zwölf bin ich an der Rezeption ... Es gelingt, in Sarria ein Zimmer zu bestellen mit der Auflage, dass ich das Motorrad für eine Woche unterstellen kann.
Das Moped wird mittlerweile routiniert beladen. Der nächste Camino-Ort, den ich gerne sehen will, ist Sahagun, früher das übermächtige Klosterzentrum der Region, dem letztlich auch San Zoilo zum Opfer gefallen ist. Im Gegensatz zu diesem aber ist San Zoilo erhalten geblieben, mit vielen wertvollen Details. Z. B. die gewaltige Ikonostase in der Kirche oder der Kreuzgang von majestätischer Höhe. In der Kirche singe ich mich Obertonübungen ein, nur so, um dem Raum zu zeigen dass ich da bin. Aber auch dem Floristen, der ein Gitter für eine Hochzeit schmückt, gefällt mein Gesumse. Er will wissen, ob man mich für das Fest engagiert hat. Kein schlechter Gedanke und weil etwas französisch spricht, frage ich ihn, ob man im Ort spürt, dass der Camino hier durchzieht. Und spontan sagt er, dass die Brautleute sich auf dem Camino kennengelernt haben. Und weil die Braut einer bekannten Adelsfamilie entstammt, kommt auch der Erzbischof von Burgos angereist. Er steckt mit flinken Händen Efeu und große Blüten in das schmiedeeiserne Gitter, was supergut aussieht. Und anders als früher, kaufen die Leute auch was. Da hat keiner sein Picknick dabei, das ist eine Frage des Gewichts im Rucksack. Die meisten sind sehr ehrgeizig, sie machen unglückliche Gesichter wie beim Joggen. Wenn nicht die Cafés und Hotels durch sie eine gute Kundschaft hätten, wenn’s nach ihm ginge, bräuchten sie hier nicht durchziehen. Das sind doch alles verkappte Gottlose, mit dem Santiago hat das nichts zu tun. Er gerät in Rage, weil er zu wenig Efeu gekauft hat und jetzt umverteilen muss. Ich glaube, er würde jetzt geerne einen Pilger dafür verantwortlich machen. Dann greift er zum Handy und knattert mit einem RRRRausch eine gottverdammte Bestellung in den Äther. Das klappt, er lädt mich, bis die Sachen kommen auf einen Rosé/Rosso (im Gegensatz zum Tinto) an die Bar ein. Leider passiert nicht mehr viel, er hat sich wohl völlig verausgabt.
Ich gehe wieder ans Schreiben ...
Sahagun, ja! Auf dem Stadtplatz, an dessen Rand ich das Moped abstelle, spielen Kinder Fußball. Manchmal werden vorübergehende getroffen, die dann ganz unterschiedlich reagieren. Ein rabiater Durchgänger verbietet das Spiel und weil ich am Motorrad angelehnt einen cafè con lecche trinke, habe ich mehrfach Gelegenheit, den Ball zurückzuspielen. Jetzt wollen sie wissen, ob die Deutschen auch so widerlich sind wie die Leute hier. Ich verstehe zwar, was sie meinen, bin aber für einen so interessanten Dialog nicht mutig genug. Und dann sagt so ein hinterlistiges Würstchen, vielleicht elf, Du kannst ruhig deutsch reden, ich übersetze das. Er lebt in Offenbach und ist für einige Tage in der Heimat der Eltern. Er meint großzügig, dass die Deutschen noch viel schlimmer sind. Die Deutschen hassen Kinder, behauptet er kühl. Mit Kindern kriegt man keine guten Wohnungen und Frauen, die Kinder haben wollen, kriegen keine Arbeit.
Das Café, in das ich meine leere Tasse zurückbringe, ist eine Rarität: alle Wände voller Fotos von Generationen von Kundschaft. Alles geschichtsdunkel und geschichtendurchwirkt. Ic kaufe noch eine Flasche Orangennektar und fahre weiter, Leon fällt, Astorga fällt. Wird auf die Rückreise verlegt. Astorga faellt mir schwer, weil im von Gaudi erdachten Bischospalast eine Camino-Ausstellung aufgebaut ist. Der Aufstieg zum Col von Piedrafita (über 1300 Meter) ist eine Tortur. Es regnet und ist eisig kalt. Unter einer Brücke ziehe ich mir das Ganzkörper-Kondom an. Unbemerkt steht ein Polizist von der Guardia Civil vor mir und will wissen, ob ich in Havarie sei. Er begreift aber schnell und bleibt mit dem Kollegen so lange sichernd mit dem Auto stehen, bis ich wieder auf der Strasse bin. Das ist deshalb bemerkenswert, weil er nicht mit einem Wort erwähnt hat, dass das Anhalten auf dem Streifen komplett verboten ist.
Die Eiseskälte verbessert irgendwie meine Fertigkeiten auf dem Moped, als ich beim Hotel ankomme, was wegen des Stadtfestes gar nicht einfach ist, bin ich fast bewegungsunfähig.
Ich richte mich ein, besichtige den Standplatz für das Moped, finde eine Internet- Station, fange an zu schreiben, mache eine Pause und erwerbe eine Flasche Rioja 2001, für 2,50!
Für ein Zehntel des Wertes. Leider hat der Obsthändler nur eine davon.
Jetzt ist das Zimmerchen ein reines Chaos, denn ich muss alles für den Fußmarsch neu ordnen
Und will morgen früh bald von der Stelle kommen.
Euch allen mein Wunsch, bald wieder unter Euch zu sein. Ihr fehlt mir sehr!
Ich melde mich erst wieder in einer Woche, genießt die Lesepause ...
Kurz nach elf habe ich gemerkt, dass ich mich jetzt beeilen muss, um das Zimmer frei zu geben. Um zwölf bin ich an der Rezeption ... Es gelingt, in Sarria ein Zimmer zu bestellen mit der Auflage, dass ich das Motorrad für eine Woche unterstellen kann.
Das Moped wird mittlerweile routiniert beladen. Der nächste Camino-Ort, den ich gerne sehen will, ist Sahagun, früher das übermächtige Klosterzentrum der Region, dem letztlich auch San Zoilo zum Opfer gefallen ist. Im Gegensatz zu diesem aber ist San Zoilo erhalten geblieben, mit vielen wertvollen Details. Z. B. die gewaltige Ikonostase in der Kirche oder der Kreuzgang von majestätischer Höhe. In der Kirche singe ich mich Obertonübungen ein, nur so, um dem Raum zu zeigen dass ich da bin. Aber auch dem Floristen, der ein Gitter für eine Hochzeit schmückt, gefällt mein Gesumse. Er will wissen, ob man mich für das Fest engagiert hat. Kein schlechter Gedanke und weil etwas französisch spricht, frage ich ihn, ob man im Ort spürt, dass der Camino hier durchzieht. Und spontan sagt er, dass die Brautleute sich auf dem Camino kennengelernt haben. Und weil die Braut einer bekannten Adelsfamilie entstammt, kommt auch der Erzbischof von Burgos angereist. Er steckt mit flinken Händen Efeu und große Blüten in das schmiedeeiserne Gitter, was supergut aussieht. Und anders als früher, kaufen die Leute auch was. Da hat keiner sein Picknick dabei, das ist eine Frage des Gewichts im Rucksack. Die meisten sind sehr ehrgeizig, sie machen unglückliche Gesichter wie beim Joggen. Wenn nicht die Cafés und Hotels durch sie eine gute Kundschaft hätten, wenn’s nach ihm ginge, bräuchten sie hier nicht durchziehen. Das sind doch alles verkappte Gottlose, mit dem Santiago hat das nichts zu tun. Er gerät in Rage, weil er zu wenig Efeu gekauft hat und jetzt umverteilen muss. Ich glaube, er würde jetzt geerne einen Pilger dafür verantwortlich machen. Dann greift er zum Handy und knattert mit einem RRRRausch eine gottverdammte Bestellung in den Äther. Das klappt, er lädt mich, bis die Sachen kommen auf einen Rosé/Rosso (im Gegensatz zum Tinto) an die Bar ein. Leider passiert nicht mehr viel, er hat sich wohl völlig verausgabt.
Ich gehe wieder ans Schreiben ...
Sahagun, ja! Auf dem Stadtplatz, an dessen Rand ich das Moped abstelle, spielen Kinder Fußball. Manchmal werden vorübergehende getroffen, die dann ganz unterschiedlich reagieren. Ein rabiater Durchgänger verbietet das Spiel und weil ich am Motorrad angelehnt einen cafè con lecche trinke, habe ich mehrfach Gelegenheit, den Ball zurückzuspielen. Jetzt wollen sie wissen, ob die Deutschen auch so widerlich sind wie die Leute hier. Ich verstehe zwar, was sie meinen, bin aber für einen so interessanten Dialog nicht mutig genug. Und dann sagt so ein hinterlistiges Würstchen, vielleicht elf, Du kannst ruhig deutsch reden, ich übersetze das. Er lebt in Offenbach und ist für einige Tage in der Heimat der Eltern. Er meint großzügig, dass die Deutschen noch viel schlimmer sind. Die Deutschen hassen Kinder, behauptet er kühl. Mit Kindern kriegt man keine guten Wohnungen und Frauen, die Kinder haben wollen, kriegen keine Arbeit.
Das Café, in das ich meine leere Tasse zurückbringe, ist eine Rarität: alle Wände voller Fotos von Generationen von Kundschaft. Alles geschichtsdunkel und geschichtendurchwirkt. Ic kaufe noch eine Flasche Orangennektar und fahre weiter, Leon fällt, Astorga fällt. Wird auf die Rückreise verlegt. Astorga faellt mir schwer, weil im von Gaudi erdachten Bischospalast eine Camino-Ausstellung aufgebaut ist. Der Aufstieg zum Col von Piedrafita (über 1300 Meter) ist eine Tortur. Es regnet und ist eisig kalt. Unter einer Brücke ziehe ich mir das Ganzkörper-Kondom an. Unbemerkt steht ein Polizist von der Guardia Civil vor mir und will wissen, ob ich in Havarie sei. Er begreift aber schnell und bleibt mit dem Kollegen so lange sichernd mit dem Auto stehen, bis ich wieder auf der Strasse bin. Das ist deshalb bemerkenswert, weil er nicht mit einem Wort erwähnt hat, dass das Anhalten auf dem Streifen komplett verboten ist.
Die Eiseskälte verbessert irgendwie meine Fertigkeiten auf dem Moped, als ich beim Hotel ankomme, was wegen des Stadtfestes gar nicht einfach ist, bin ich fast bewegungsunfähig.
Ich richte mich ein, besichtige den Standplatz für das Moped, finde eine Internet- Station, fange an zu schreiben, mache eine Pause und erwerbe eine Flasche Rioja 2001, für 2,50!
Für ein Zehntel des Wertes. Leider hat der Obsthändler nur eine davon.
Jetzt ist das Zimmerchen ein reines Chaos, denn ich muss alles für den Fußmarsch neu ordnen
Und will morgen früh bald von der Stelle kommen.
Euch allen mein Wunsch, bald wieder unter Euch zu sein. Ihr fehlt mir sehr!
Ich melde mich erst wieder in einer Woche, genießt die Lesepause ...
Logrono – Burgos – Carrion de los Condes
vierundzwanzig – sechs
Das Frühstück im Condes de Haro kann sich schmecken lassen. Gekochter Schinken, Pyrenäenkäse, verschiedene Konfitüren ... Und bis um zwölf kann ich bleiben. Wenn alles gut geht, kann ich morgen (DO) in Sarria sein. Dienstag oder Mittwoch könnte ich in Santiago ankommen. Die Planungen konkretisieren sich fortlaufend. Bei den Telefonaten mit Edith spielt dieser Teil eine wichtige Rolle.
Sehr viel denke ich in diesen Tagen (und danke auch) an den großzügigen Förderer dieser Unternehmung. Lieber Andreas, ich könnte mir denken, dass Du zwar hie und da den Kopf schütteln würdest, aber es würde Dir ziemlich Spaß machen dabei zu sein. Einzelheiten später.
Obwohl ich schon vor sieben auf den Beinen bin, dauert es ewig, bis alles fertig ist. Wirklich fertig. Im Zimmer bin ich um zehn raus und die Texte sind am Gästerechner schnell eingegeben. Aber die Bilder dauern. Ich nehme an, dass es die großen Bilder sind, die ihren Weg durch viele Flaschenhälse zu den fernen (?) Speicher finden müssen. In der Straße vor dem Hotel hat sich ein Wutbündel entwickelt, weil jemand sein Auto mit laufendem Motor in zweiter Reihe abgestellt hat. Unsere Hotelmanagerin kommt heraus und erklärt mir, dass man lange die Pilger für alles Negative verantwortlich gemacht hat: Kleine Diebstähle, Mundraub, die Leute nehmen einfach so einen Apfel mit, Hotelrechnungen werden nicht bezahlt etc. Das alles war einmal. Die Pilger haben eine völlig unauffällige Zahlungsmoral und haben meist viel, jedenfalls ausreichend bare Mittel dabei. In den vergangenen zwei Jahren sei die Aggressivität der Bevölkerung auffallend angewachsen. Viel Streit in den Straßen und Cafés und in den Familien.
In alten Zeiten waren eher die Städte die sicheren Zufluchtsorte, Inseln der Ordnung im feudalen Chaos untergehender Strukturen. Heute sind sie oft Anlässe für ärgerliche Zwischenfälle, nicht zuletzt, weil das gesamte Gesundheitssystem in der UE wackelt und die Zufriedenheit der Menschen mit den Machtstrukturen sinkt.
Zwischen den Ladezeiten hole ich das Moped aus den Tiefen der Keller und lerne dabei dunkle Steilpassagen zu beklettern, ohne oben an die gegenüberliegende Mauer zu donnern.
In der Mittagszeit kann ich die Stadt verlassen, die außerhalb immer unansehnlicher wird.
Die Luft verbessert sich erheblich, nicht zuletzt, weil der Verkehr zu dieser Zeit geringer ist als zu anderen Tageszeiten. Ich nehme die N120, um als nächstes Najera und Santo Domingo de la Calzada zu durchfahren. In Najera ist großes Schulfest am Fluss und überall findet irgendwas statt. In dem Trubel zwei Pilgerfrauen mit Fahrrädern und Hochleistungsausrüstung. Am Kopf Elektronik, eine hat ein Navi am Rad. Es sind Luxemburgerinnen, die französisch sprechen. Sie sind seit einem Monat unterwegs und wenn sie am Wochenende in Santiago ankommen, geben sie die Räder bei der Bahn auf und fliegen nach Hause. Es wird nur gefilmt, keine Fotos. Der Rückweg als Verarbeitungsstrecke fällt auch hier weg. Die technische Lauf-Bildbearbeitung steht für die zeitliche des Weges. Sie wollen die Räder nicht alleine lassen, deshalb bleiben sie im Getümmel stehen. Eine von ihnen geht kurz weg, drei Eisbecher zu organisieren. Ich habe mein Moped auf einer kleinen Parkinsel stehen, fast in Sichtweite. Wir schlecken Eis und schauen den Balgereien im flachen Flusswasser zu. Es ist alles sehr bunt und nass. Alle Spiele sind bekannt und gut organisiert, es gibt Favoriten, bei deren Auftauchen wie am Spiess geschrieen wird, wir verstehen die Ablaeufe dennoch nicht gut. Die beiden Frauen, so um die 30, wollen noch nach Burgos ins vorbestellte Zimmer. Wir verabschieden uns.
Santo Domingo hat zwei Paradores, staatliche Hotels in historischen Gebäuden. Und eine märchenhafte Altstadt, die jetzt in der Mittagsglut nur hie und da Leben vermuten lässt. Kindergeplärre, Radio da und dort, eine Glocke und auf den fünf dicken Türmen an der Stadtmauer klappern Dutzende von Störchen. Die Sonne kommt fett von oben, keine Chance für gute Bilder. Selbst der romanische Chor der Kathedrale verweigert sich meiner Kamera.
Das ist in Burgos anders. Es ist zwar nicht leicht, zur Kathedrale durchzustoßen, aber schließlich folge ich einer Rennsemmel, die sich mit Schwung fast vor das Portal setzt. Es ist eine Krankenschwester im Dienst. Vorsichtshalber stelle ic das Moped doch weiter oben ab, wo zwei Männer, eher so etwas wie Wohnsitzlose mit einem Wuschelhund eine kleine Weltinsel aufgebaut haben. Ich nehme es vorweg. Meine offen eingeklemmte Freizeithose hat den Besitzer gewechselt. Ich nehme mal an, das dies der Preis fürs Aufpassen war ...
An dem unglaublich reichen Bauwerk stört nur der Eintritt von sage und schreibe 6 €. Ich verweigere mich dieser Zumutung und investiere in zwei frische Biere und Tapas: Halbe Eier mit Krabben und Käsecreme. 6,20 sind damit am Welterbe vorübergezogen.
Ich beschließe bis Carrion de los Condes weiterzufahren, um am Donnerstag Sarria zu erreichen.
Ich finde in Carrion das bislang schönste Hotel, das uralte königliche Kloster San Zoilo, fast so schön wie ein Parador, aber viel günstiger. An der Theke der Bar gelingt es mir, den Barmann, der nur für mich da ist, als Spanischlehrer zu aktivieren. Vor allem lehrt er mich, den bestellten Käse mit den Fingern zu essen. Für mich als Messer-und-Gabel-Fetischisten eine schwere Prüfung. Für meinen Versuch, dafür Bakterien oder anderes Viehzeug zu bemühen, hat er nur lautes Lachen übrig, auch an der Rezeption wird gelacht. Die verrückten Alemanes ... was denen nicht alles einfällt, um sich das Leben als Pilger zusätzlich schwer zu machen! Ich behaupte, ein besonders unzuverlässiges Exemplar für meine Nation zu sein, meinen Landsleuten seien Essbestecke noch weitgehend unbekannt. Das vermittelt zu haben, in spanischer Sprache, hat mich zufrieden ins Bett gehen lassen.
Das Frühstück im Condes de Haro kann sich schmecken lassen. Gekochter Schinken, Pyrenäenkäse, verschiedene Konfitüren ... Und bis um zwölf kann ich bleiben. Wenn alles gut geht, kann ich morgen (DO) in Sarria sein. Dienstag oder Mittwoch könnte ich in Santiago ankommen. Die Planungen konkretisieren sich fortlaufend. Bei den Telefonaten mit Edith spielt dieser Teil eine wichtige Rolle.
Sehr viel denke ich in diesen Tagen (und danke auch) an den großzügigen Förderer dieser Unternehmung. Lieber Andreas, ich könnte mir denken, dass Du zwar hie und da den Kopf schütteln würdest, aber es würde Dir ziemlich Spaß machen dabei zu sein. Einzelheiten später.
Obwohl ich schon vor sieben auf den Beinen bin, dauert es ewig, bis alles fertig ist. Wirklich fertig. Im Zimmer bin ich um zehn raus und die Texte sind am Gästerechner schnell eingegeben. Aber die Bilder dauern. Ich nehme an, dass es die großen Bilder sind, die ihren Weg durch viele Flaschenhälse zu den fernen (?) Speicher finden müssen. In der Straße vor dem Hotel hat sich ein Wutbündel entwickelt, weil jemand sein Auto mit laufendem Motor in zweiter Reihe abgestellt hat. Unsere Hotelmanagerin kommt heraus und erklärt mir, dass man lange die Pilger für alles Negative verantwortlich gemacht hat: Kleine Diebstähle, Mundraub, die Leute nehmen einfach so einen Apfel mit, Hotelrechnungen werden nicht bezahlt etc. Das alles war einmal. Die Pilger haben eine völlig unauffällige Zahlungsmoral und haben meist viel, jedenfalls ausreichend bare Mittel dabei. In den vergangenen zwei Jahren sei die Aggressivität der Bevölkerung auffallend angewachsen. Viel Streit in den Straßen und Cafés und in den Familien.
In alten Zeiten waren eher die Städte die sicheren Zufluchtsorte, Inseln der Ordnung im feudalen Chaos untergehender Strukturen. Heute sind sie oft Anlässe für ärgerliche Zwischenfälle, nicht zuletzt, weil das gesamte Gesundheitssystem in der UE wackelt und die Zufriedenheit der Menschen mit den Machtstrukturen sinkt.
Zwischen den Ladezeiten hole ich das Moped aus den Tiefen der Keller und lerne dabei dunkle Steilpassagen zu beklettern, ohne oben an die gegenüberliegende Mauer zu donnern.
In der Mittagszeit kann ich die Stadt verlassen, die außerhalb immer unansehnlicher wird.
Die Luft verbessert sich erheblich, nicht zuletzt, weil der Verkehr zu dieser Zeit geringer ist als zu anderen Tageszeiten. Ich nehme die N120, um als nächstes Najera und Santo Domingo de la Calzada zu durchfahren. In Najera ist großes Schulfest am Fluss und überall findet irgendwas statt. In dem Trubel zwei Pilgerfrauen mit Fahrrädern und Hochleistungsausrüstung. Am Kopf Elektronik, eine hat ein Navi am Rad. Es sind Luxemburgerinnen, die französisch sprechen. Sie sind seit einem Monat unterwegs und wenn sie am Wochenende in Santiago ankommen, geben sie die Räder bei der Bahn auf und fliegen nach Hause. Es wird nur gefilmt, keine Fotos. Der Rückweg als Verarbeitungsstrecke fällt auch hier weg. Die technische Lauf-Bildbearbeitung steht für die zeitliche des Weges. Sie wollen die Räder nicht alleine lassen, deshalb bleiben sie im Getümmel stehen. Eine von ihnen geht kurz weg, drei Eisbecher zu organisieren. Ich habe mein Moped auf einer kleinen Parkinsel stehen, fast in Sichtweite. Wir schlecken Eis und schauen den Balgereien im flachen Flusswasser zu. Es ist alles sehr bunt und nass. Alle Spiele sind bekannt und gut organisiert, es gibt Favoriten, bei deren Auftauchen wie am Spiess geschrieen wird, wir verstehen die Ablaeufe dennoch nicht gut. Die beiden Frauen, so um die 30, wollen noch nach Burgos ins vorbestellte Zimmer. Wir verabschieden uns.
Santo Domingo hat zwei Paradores, staatliche Hotels in historischen Gebäuden. Und eine märchenhafte Altstadt, die jetzt in der Mittagsglut nur hie und da Leben vermuten lässt. Kindergeplärre, Radio da und dort, eine Glocke und auf den fünf dicken Türmen an der Stadtmauer klappern Dutzende von Störchen. Die Sonne kommt fett von oben, keine Chance für gute Bilder. Selbst der romanische Chor der Kathedrale verweigert sich meiner Kamera.
Das ist in Burgos anders. Es ist zwar nicht leicht, zur Kathedrale durchzustoßen, aber schließlich folge ich einer Rennsemmel, die sich mit Schwung fast vor das Portal setzt. Es ist eine Krankenschwester im Dienst. Vorsichtshalber stelle ic das Moped doch weiter oben ab, wo zwei Männer, eher so etwas wie Wohnsitzlose mit einem Wuschelhund eine kleine Weltinsel aufgebaut haben. Ich nehme es vorweg. Meine offen eingeklemmte Freizeithose hat den Besitzer gewechselt. Ich nehme mal an, das dies der Preis fürs Aufpassen war ...
An dem unglaublich reichen Bauwerk stört nur der Eintritt von sage und schreibe 6 €. Ich verweigere mich dieser Zumutung und investiere in zwei frische Biere und Tapas: Halbe Eier mit Krabben und Käsecreme. 6,20 sind damit am Welterbe vorübergezogen.
Ich beschließe bis Carrion de los Condes weiterzufahren, um am Donnerstag Sarria zu erreichen.
Ich finde in Carrion das bislang schönste Hotel, das uralte königliche Kloster San Zoilo, fast so schön wie ein Parador, aber viel günstiger. An der Theke der Bar gelingt es mir, den Barmann, der nur für mich da ist, als Spanischlehrer zu aktivieren. Vor allem lehrt er mich, den bestellten Käse mit den Fingern zu essen. Für mich als Messer-und-Gabel-Fetischisten eine schwere Prüfung. Für meinen Versuch, dafür Bakterien oder anderes Viehzeug zu bemühen, hat er nur lautes Lachen übrig, auch an der Rezeption wird gelacht. Die verrückten Alemanes ... was denen nicht alles einfällt, um sich das Leben als Pilger zusätzlich schwer zu machen! Ich behaupte, ein besonders unzuverlässiges Exemplar für meine Nation zu sein, meinen Landsleuten seien Essbestecke noch weitgehend unbekannt. Das vermittelt zu haben, in spanischer Sprache, hat mich zufrieden ins Bett gehen lassen.
Mittwoch, 24. Juni 2009
St. Jean-Pied-de-Port – Pamplona – Logrono
dreiundzwanzig – sechs
Senora Maria Camino geruhen, mich zu tadeln wegen Nichteinhaltung der zeitlichen Vereinbarungen das Frühstück betreffend. Ich entgegne mit großer Würde, dass Sie angesichts Ihres Verhaltens keinerlei recht auf Kritik habe. Wer wie sie den Gast, der in der Hoffnung auf eine günstige Unterkunft komme, um sein Geld bringe, habe alle Rechte auf Achtung verloren. Ich biete ihr 40 Euro, wenn nicht möge sie die Polizei holen. Sie schimpft in spanischer Sprache und macht dann den Vorschlag, mir noch ein Fresspaket mit Produkten eigener Hand mitzugeben. Ich akzeptiere. Der Kaffee ist schrecklich und unter Mikrowelle aufgewärmt. Wegen der nervlichen Anstrengung wird mir doch warm und gepackt is’ auch noch nich! Die Leute vom Pilgerbüro kommen und reden mit ihr. Gestern hat man noch darüber diskutiert, ob man ihr die Muschel aberkennt, die am Schild die Pilgerherberge ausweist ... Immerhin muss sie jetzt wissen, dass sie etwas riskiert, wenn sie die Anrufer nicht auf den neuen Preis hinweist.
Ich komme gut weg und bin bald oben am Col von Ibaneta, von wo aus man einen schier unglaublichen Blick in die Tiefe hat. Aus diesem unglaublichen Schlund kommen die Pilger herauf. Ich unterhalte mich mit einem BMW-Fahrer aus Magdeburg, so um die 50.
Zum ersten Mal ist seine Frau mit auf eine Motorradreise gegangen. Sie will den Weg gehen, er will ihn fahren. Also wartet er mit dem Gepaeck seiner Frau oben am Pass, bis sie ankommt.
Wenige Minuten später tauchen die Dächer des Kloster von Roncesvalles auf. Ich schaue mir den Kreuzgang und die Hauptkirche an, in der es einen Jakobsaltar gibt. Das königlich-navarresische Kloster war seit Beginn der Wallfahrt eine wichtige Haltestation. Ich bekomme sogar einen Stempel mit einem Eintrag "con moto hasta sarria"!
Abfahrt nach Pamplona. Tanken. Eine lieb dreinschauende Tankfrau ist mir behülflich. Ich gebe Ihr einen der letzten fünfziger aus dem Sigmaringer Fund! Casco antiguo bedeutet Altstadt. Das gibt es auch in Pamplona. Ich stelle das Moped an einem Platz ab, erwerbe mir eine Flasche gekühlten Kakao und marschiere durch die Gassen, durch welche an den Festtagen die Stiere getrieben werden. Es fällt auf, wie unglaublich sauber die Strassen sind. Viele Häuser sind farbenfroh restauriert und mit Blumen behängt. Die ganze Stadt scheint sehr lebendig zu sein, denn viele Autofahrer rufen mir unfreundliche Sachen zu idiota und so, weil ich halt keine Knautschzone habe und so meine eigenen Vorstellungen von Verkehr ...
Auf die Autobahn entweiche ich gen Logrono. Dazwischen liegen so wichtige Stationen wie Nostra Senora de Eunate, Puente la Reina und Estella. Ich stelle jeweils ein Bild ein. In Estella geht soeben ein Sensationsprozess mit einer Mörderin zu Ende. Sie kommt frei, was ich am Abend im Fernsehen mitbekomme, obwohl sie das Verbrechen zugegeben hat.
Mit etwas Verzögerung finde ich in Logrono ein Hotel, checke ein und bringe mich aus der Erschöpfung wieder ans Licht.
Um elf sitze ich am Marktplatz, trinke zwei Biere. Ein dicker Glatzkopf setzt sich zu mir und redet auf mich ein. Der Kellner kommt und steht mir bei. In ordentlichem Deutsch erklärt mir der Kellner, das dem Mann unangenehm war, von mir beobachtet zu werden. Dabei ist das abendliche Leben auf diesem schönen Kirchplatz wirklich fast wie ein Film: Eine behinderte junge Frau rollt in ihrem Elektrowagen telefonierend über den Platz, ein kleiner Hund trippelt mit drei Beinen, das vierte unregelmäßig zur Seite schleudernd, von einer Pinkelstelle zur nächsten. Eine Familie mit zwei rollernden Buben geht in die eine Richtung und kommt davon Eis schleckend wieder zurück. Jetzt rollert der Papa und die Mama trägt das Fahrzeug.
Ein tiefschwarzer Mann, wie er sagt Portugiese bettelt um eine kleine Münze. Ich biete ihm an, ein Bier zu bezahlen. Er will das Geld. No, nicht die kleinste Münze, muy pequena. Er trinke nur Wein. Der Kellner kommt und entfernt ihn mit harschen Gesten. Und und ...
Es ist Nacht. Der Hotelmanager hat mir einen Kode gegeben, damit ich den Hotspot anwählen kann. Tut aber dann doch nicht. Draußen ist es zu schwül. Ich lasse die Klimaanlage eingeschaltet.
Senora Maria Camino geruhen, mich zu tadeln wegen Nichteinhaltung der zeitlichen Vereinbarungen das Frühstück betreffend. Ich entgegne mit großer Würde, dass Sie angesichts Ihres Verhaltens keinerlei recht auf Kritik habe. Wer wie sie den Gast, der in der Hoffnung auf eine günstige Unterkunft komme, um sein Geld bringe, habe alle Rechte auf Achtung verloren. Ich biete ihr 40 Euro, wenn nicht möge sie die Polizei holen. Sie schimpft in spanischer Sprache und macht dann den Vorschlag, mir noch ein Fresspaket mit Produkten eigener Hand mitzugeben. Ich akzeptiere. Der Kaffee ist schrecklich und unter Mikrowelle aufgewärmt. Wegen der nervlichen Anstrengung wird mir doch warm und gepackt is’ auch noch nich! Die Leute vom Pilgerbüro kommen und reden mit ihr. Gestern hat man noch darüber diskutiert, ob man ihr die Muschel aberkennt, die am Schild die Pilgerherberge ausweist ... Immerhin muss sie jetzt wissen, dass sie etwas riskiert, wenn sie die Anrufer nicht auf den neuen Preis hinweist.
Ich komme gut weg und bin bald oben am Col von Ibaneta, von wo aus man einen schier unglaublichen Blick in die Tiefe hat. Aus diesem unglaublichen Schlund kommen die Pilger herauf. Ich unterhalte mich mit einem BMW-Fahrer aus Magdeburg, so um die 50.
Zum ersten Mal ist seine Frau mit auf eine Motorradreise gegangen. Sie will den Weg gehen, er will ihn fahren. Also wartet er mit dem Gepaeck seiner Frau oben am Pass, bis sie ankommt.
Wenige Minuten später tauchen die Dächer des Kloster von Roncesvalles auf. Ich schaue mir den Kreuzgang und die Hauptkirche an, in der es einen Jakobsaltar gibt. Das königlich-navarresische Kloster war seit Beginn der Wallfahrt eine wichtige Haltestation. Ich bekomme sogar einen Stempel mit einem Eintrag "con moto hasta sarria"!
Abfahrt nach Pamplona. Tanken. Eine lieb dreinschauende Tankfrau ist mir behülflich. Ich gebe Ihr einen der letzten fünfziger aus dem Sigmaringer Fund! Casco antiguo bedeutet Altstadt. Das gibt es auch in Pamplona. Ich stelle das Moped an einem Platz ab, erwerbe mir eine Flasche gekühlten Kakao und marschiere durch die Gassen, durch welche an den Festtagen die Stiere getrieben werden. Es fällt auf, wie unglaublich sauber die Strassen sind. Viele Häuser sind farbenfroh restauriert und mit Blumen behängt. Die ganze Stadt scheint sehr lebendig zu sein, denn viele Autofahrer rufen mir unfreundliche Sachen zu idiota und so, weil ich halt keine Knautschzone habe und so meine eigenen Vorstellungen von Verkehr ...
Auf die Autobahn entweiche ich gen Logrono. Dazwischen liegen so wichtige Stationen wie Nostra Senora de Eunate, Puente la Reina und Estella. Ich stelle jeweils ein Bild ein. In Estella geht soeben ein Sensationsprozess mit einer Mörderin zu Ende. Sie kommt frei, was ich am Abend im Fernsehen mitbekomme, obwohl sie das Verbrechen zugegeben hat.
Mit etwas Verzögerung finde ich in Logrono ein Hotel, checke ein und bringe mich aus der Erschöpfung wieder ans Licht.
Um elf sitze ich am Marktplatz, trinke zwei Biere. Ein dicker Glatzkopf setzt sich zu mir und redet auf mich ein. Der Kellner kommt und steht mir bei. In ordentlichem Deutsch erklärt mir der Kellner, das dem Mann unangenehm war, von mir beobachtet zu werden. Dabei ist das abendliche Leben auf diesem schönen Kirchplatz wirklich fast wie ein Film: Eine behinderte junge Frau rollt in ihrem Elektrowagen telefonierend über den Platz, ein kleiner Hund trippelt mit drei Beinen, das vierte unregelmäßig zur Seite schleudernd, von einer Pinkelstelle zur nächsten. Eine Familie mit zwei rollernden Buben geht in die eine Richtung und kommt davon Eis schleckend wieder zurück. Jetzt rollert der Papa und die Mama trägt das Fahrzeug.
Ein tiefschwarzer Mann, wie er sagt Portugiese bettelt um eine kleine Münze. Ich biete ihm an, ein Bier zu bezahlen. Er will das Geld. No, nicht die kleinste Münze, muy pequena. Er trinke nur Wein. Der Kellner kommt und entfernt ihn mit harschen Gesten. Und und ...
Es ist Nacht. Der Hotelmanager hat mir einen Kode gegeben, damit ich den Hotspot anwählen kann. Tut aber dann doch nicht. Draußen ist es zu schwül. Ich lasse die Klimaanlage eingeschaltet.
Lourdes – St. Jean-Pied-de-Port
zweiundzwanzig – sechs
Mit der Hoteliere von Notre Dame de Lorette würde ich mich gerne bis zum beidseitigem Untergang kabbeln. Da sie der Überzeugung ist, dass man ohne sie, etwa bei Erkrankung, schließen müsse, schließt sie in dieses Muster auch alle anderen Dinge mit ein, selbst die, welche ihr egal sind, je m’en fiche! Die beiden Fahrradmänner aus dem Münsterland saßen einfach nicht comme il faut auf den Warteplätzen. Das hat ihr im Auge weh getan, wie sie mir sagt, als die weg sind. Die Pilger, die zu ihr kommen, lassen sich offenbar leicht lenken. Mir scheint, bei rechtem Hinschauen, braut sich da eine Revolution zusammen. Der neue Pilger ist im Kommen.
Zum zweiten Male brause ich schweißarm von hinnen. Einfach in Richtung Westen. Die Landschaft erscheint zuerst eher sanft und freundlich, sehr grün und sonnig, angenehm kühl.
Dann weitet sie sich und im Süden werden die Berge zackiger. Hinter eine Brücke taucht unversehens eine seltsame Baugruppe auf: Um einige großformatige Häuser und eine große Kirche ordnen sich in parkartiger Landschaft kleine Spielkirchen an. Es scheinen Kirchen und Dome für ein Zwergenvolk zu sein. Es sind aber die Heiligtümer von Bétharram. Ich halte an, fotografiere für Euch (!) und fahre mit dem Vorsatz weiter, die Sache im Internet zu recherchieren. Wenig später fahre ich auf das Netz der Pyrenäenstraßen auf, ein Gewimmel schöner touristischer Strecken, die ich wegen des allgegenwärtigen Rollsplit in aufrechter Haltung durchfahre. Ortsnamen wie Aramits und Tardetz deuten den Wechsel ins Baskische an. Alle Strassennamen und Ortsbezeichnungen, Geschäftsbezeichnungen und Hinweisschilder sind entweder nur baskisch oder zweisprachig. In einem unglaublich kleinen Ort von 12 Häusern gibt es einen Kirchplatz, wo ich eine Melone und etwas Proviant kaufe.
Da stehen drei Sonnenschirme und die Einladung, sich ohne Verpflichtung hinzusetzen. Aus einem Automaten kann ich ein Cola Light auslösen, und dazu Käse, Schinken und Brot essen. Solltet Ihr auf dem Foto eine Weinflasche erkennen, so seht Ihr richtig.
Der Betreiber des Andenkenladens erscheint. Er hat die Muschel auf dem Motorrad gesehen und fragt, was mich hierher verschlagen hat. Ich erkläre ihm meinen Plan. Er holt Kaffee und kleine Trockenkuchen, gefüllte Madeleines. Zwei Schulkinder wollen sich aufs Motorrad setzen, ein Streit entbrennt. Der Papa schlichtet. Unter dem Druck der Ereignisse bocke ich das Moped hoch, jetzt steht es stabil und die Kinder können darauf herumturnen. Die Mutter ist mit einem belgischen Jakobspilger weitergezogen, dann hat er wieder geheiratet. Er ist nicht sauer auf den Pilger, aber er schaut sich die Kerle genau an. Seine Frau kommt aus dem Lebensmittelladen nebendran, wischt sich die Hände an der Schürze ab. Ich überlege mir, ob sie eine Versuchung wert ist. Aber er hat sich wohl etwas ganz stabiles zugelegt.
Dann kommt die lange Anfahrt auf St. Jean-Pied-de-Port. Zuerst unendlich lange hinauf und dann ewig hinunter. Unglaublich schöne Bilder! Ich habe kein einziges Foto gemacht und bin wie besoffen durch die Lüfte gesegelt.
Ich rufe einen Zimmervermieter an und bestelle ein Zimmer für 20 €. Es klappt, zwischen vier und fünf werde ich dort ankommen. Um halb fünf stehe ich vor der Türe. Ein trotteliger Mann, der kein Französisch spricht (erster Einsatz meiner neuen Spanisch-Faehigkeiten), klärt mich auf, dass seine Frau wie alle Frauen beim Plappern die Zeit vergisst. Aber man kann ihnen nicht böse sein. Das muss man in Kauf nehmen. Weshalb hat Gott uns Männer vollkommen gemacht? Doch nur, um den Frauen ein Vorbild vor Augen zu stellen. Aber sie kriegen das einfach nicht hin ...
Um halbsechs erscheint eine zierliche gepflegte Person, der man die Schärfe vor dem ersten Ton schon ansieht, vielleicht 75. Später stellt sich heraus, dass ihr Mann 67 und sie 66 ist.
Sie bekommen das schönste Zimmer, mit warmem Wasser. Es kommt sehr heiß, passen Sie auf Monsieur. Ich kann das Moped irgendwie am Haus abstellen, mit einem Stein am Hinterrad. Ich komme schon beim Gedanken an das Wiederbeladen einen Schweißausbruch.
Vous avez une très belle moto! OK, aber das Zimmer ist, außer sauber, schrecklich. Kein Schlüssel (wir lassen hier alles offen), Toilette und Klo weit weg (dann gibt es keine unangenehmen Gerüche im Zimmer), kein Zahnputzglas (fragen Sie, wenn sie etwas brauchen), keine elektrischen Anschlüsse (wir lieben es traditionell). Aus diesen und weiteren Defiziten errechnet sie einen Zuschlag von 250%, also 50 Euro, Pilger sind Sie, gut, dann 45.
Aber dabei bleibts! Ich gehe zum Pilgerbüro, wo man Überlegungen anstellt. Zunächst besorgt man mir ein anderes Zimmer, aber ich bin zu müde und die Dinge haben sich schon zu weit entwickelt. Vielleicht, wenn ich kein Deutscher gewesen wäre ...
Ich kauf mir noch eine Flasche Orangensaft und gehe ins Bett..
Mit der Hoteliere von Notre Dame de Lorette würde ich mich gerne bis zum beidseitigem Untergang kabbeln. Da sie der Überzeugung ist, dass man ohne sie, etwa bei Erkrankung, schließen müsse, schließt sie in dieses Muster auch alle anderen Dinge mit ein, selbst die, welche ihr egal sind, je m’en fiche! Die beiden Fahrradmänner aus dem Münsterland saßen einfach nicht comme il faut auf den Warteplätzen. Das hat ihr im Auge weh getan, wie sie mir sagt, als die weg sind. Die Pilger, die zu ihr kommen, lassen sich offenbar leicht lenken. Mir scheint, bei rechtem Hinschauen, braut sich da eine Revolution zusammen. Der neue Pilger ist im Kommen.
Zum zweiten Male brause ich schweißarm von hinnen. Einfach in Richtung Westen. Die Landschaft erscheint zuerst eher sanft und freundlich, sehr grün und sonnig, angenehm kühl.
Dann weitet sie sich und im Süden werden die Berge zackiger. Hinter eine Brücke taucht unversehens eine seltsame Baugruppe auf: Um einige großformatige Häuser und eine große Kirche ordnen sich in parkartiger Landschaft kleine Spielkirchen an. Es scheinen Kirchen und Dome für ein Zwergenvolk zu sein. Es sind aber die Heiligtümer von Bétharram. Ich halte an, fotografiere für Euch (!) und fahre mit dem Vorsatz weiter, die Sache im Internet zu recherchieren. Wenig später fahre ich auf das Netz der Pyrenäenstraßen auf, ein Gewimmel schöner touristischer Strecken, die ich wegen des allgegenwärtigen Rollsplit in aufrechter Haltung durchfahre. Ortsnamen wie Aramits und Tardetz deuten den Wechsel ins Baskische an. Alle Strassennamen und Ortsbezeichnungen, Geschäftsbezeichnungen und Hinweisschilder sind entweder nur baskisch oder zweisprachig. In einem unglaublich kleinen Ort von 12 Häusern gibt es einen Kirchplatz, wo ich eine Melone und etwas Proviant kaufe.
Da stehen drei Sonnenschirme und die Einladung, sich ohne Verpflichtung hinzusetzen. Aus einem Automaten kann ich ein Cola Light auslösen, und dazu Käse, Schinken und Brot essen. Solltet Ihr auf dem Foto eine Weinflasche erkennen, so seht Ihr richtig.
Der Betreiber des Andenkenladens erscheint. Er hat die Muschel auf dem Motorrad gesehen und fragt, was mich hierher verschlagen hat. Ich erkläre ihm meinen Plan. Er holt Kaffee und kleine Trockenkuchen, gefüllte Madeleines. Zwei Schulkinder wollen sich aufs Motorrad setzen, ein Streit entbrennt. Der Papa schlichtet. Unter dem Druck der Ereignisse bocke ich das Moped hoch, jetzt steht es stabil und die Kinder können darauf herumturnen. Die Mutter ist mit einem belgischen Jakobspilger weitergezogen, dann hat er wieder geheiratet. Er ist nicht sauer auf den Pilger, aber er schaut sich die Kerle genau an. Seine Frau kommt aus dem Lebensmittelladen nebendran, wischt sich die Hände an der Schürze ab. Ich überlege mir, ob sie eine Versuchung wert ist. Aber er hat sich wohl etwas ganz stabiles zugelegt.
Dann kommt die lange Anfahrt auf St. Jean-Pied-de-Port. Zuerst unendlich lange hinauf und dann ewig hinunter. Unglaublich schöne Bilder! Ich habe kein einziges Foto gemacht und bin wie besoffen durch die Lüfte gesegelt.
Ich rufe einen Zimmervermieter an und bestelle ein Zimmer für 20 €. Es klappt, zwischen vier und fünf werde ich dort ankommen. Um halb fünf stehe ich vor der Türe. Ein trotteliger Mann, der kein Französisch spricht (erster Einsatz meiner neuen Spanisch-Faehigkeiten), klärt mich auf, dass seine Frau wie alle Frauen beim Plappern die Zeit vergisst. Aber man kann ihnen nicht böse sein. Das muss man in Kauf nehmen. Weshalb hat Gott uns Männer vollkommen gemacht? Doch nur, um den Frauen ein Vorbild vor Augen zu stellen. Aber sie kriegen das einfach nicht hin ...
Um halbsechs erscheint eine zierliche gepflegte Person, der man die Schärfe vor dem ersten Ton schon ansieht, vielleicht 75. Später stellt sich heraus, dass ihr Mann 67 und sie 66 ist.
Sie bekommen das schönste Zimmer, mit warmem Wasser. Es kommt sehr heiß, passen Sie auf Monsieur. Ich kann das Moped irgendwie am Haus abstellen, mit einem Stein am Hinterrad. Ich komme schon beim Gedanken an das Wiederbeladen einen Schweißausbruch.
Vous avez une très belle moto! OK, aber das Zimmer ist, außer sauber, schrecklich. Kein Schlüssel (wir lassen hier alles offen), Toilette und Klo weit weg (dann gibt es keine unangenehmen Gerüche im Zimmer), kein Zahnputzglas (fragen Sie, wenn sie etwas brauchen), keine elektrischen Anschlüsse (wir lieben es traditionell). Aus diesen und weiteren Defiziten errechnet sie einen Zuschlag von 250%, also 50 Euro, Pilger sind Sie, gut, dann 45.
Aber dabei bleibts! Ich gehe zum Pilgerbüro, wo man Überlegungen anstellt. Zunächst besorgt man mir ein anderes Zimmer, aber ich bin zu müde und die Dinge haben sich schon zu weit entwickelt. Vielleicht, wenn ich kein Deutscher gewesen wäre ...
Ich kauf mir noch eine Flasche Orangensaft und gehe ins Bett..
Montag, 22. Juni 2009
Lourdes
einsundzwanzig – sechs
Sonntag! Um sieben stoße ich die eisernen Faltläden auf. Über das trostlose Hotelhinterleben mit den Bahngeleisen und den immerwährenden Straßengeräuschechos, die von allen Seiten kommen, hat sich ein strahlender Sonntagshimmel gelegt. Ich beschließe: Lourdes angucken und sehen, wie ich mich in die Gavarnie, den Pyrenäenzirkus bewegen kann. Zuvor aber doch anderes:
Anmerkungen zum französischen Frühstück, Sonntag, 8 Uhr 15 (comédie tragique, Entwurf)
Die Frage nach dem Getränk läuft immer auf schwarzen Kaffee mit etwas Milch hinaus. Also:
Die Requisite hat auf dem Tischlein eine große braune Tasse samt Untertasse und dazwischen eingezirkelter Papierserviette abgestellt. Dazu ein verchromter Untersetzer (Blechschmiedekunst Jugendstil), ein Schnapsglas mit pürierter Pflaumenkonfitüre und ein 10 Gramm Butterstückchen. Ein Kaffeelöffel bei der Konfitüre, ein Messer bei der Tasse.
Maître d’hôtel (mh, Besitzerin, sehr aufgeräumte Mittsechzigerin, unaufgeregte, absolute Autorität): Bonjour, Monsieur! Was möchten Sie trinken? Schwarzen Kaffee? Wie immer?
Gast: Ich ziehe sonntags eine tisane (so etwas wie z. B. Lindenblütentee) vor, etwas leichtes, bitte, ohne Milch. Und hätten Sie mir zur Feier des Tages vielleicht ein weiches Ei?! Bitte, Madame, es ist doch Sonntag, Madame.
(Das Ausrufezeichen erspare ich mir, weil durch das Aussprechen des utopischen Wunsches der Druck auf die Geschmackspapillen bereits nachgelassen hat.)
Gast lächelt etwas blöde und mit wässerndem Auge.
mh: Recht gerne, haben Sie sonst noch einen Wunsch?
Gast: Nein, damit könnten Sie mich glücklich machen!
mh verschwindet hinter Klapptüre.
Gast nimmt Tasse und Teller auseinander für das zu erwartende Brot oder Kuchen.
mh kommt augenblicklich wieder dahinter hervor.
mh (mit lockerer Handhaltung, so als wollte Sie einem wenig geschätzten Kollegen zeigen, wo die Türe ist): Da fällt mir ein, Monsieur, dass uns gestern die sachets de tisane ausgegangen sind. Hat Ihnen der Kaffee gestern nicht zugesagt?
Ihre Stimme bekommt eine nicht identifizierbare, dennoch schärfere Färbung, das Kinn hebt sich leicht. Und mit einer müde wirkenden Handgeste auf ein ordentlich gerahmtes Textbild in Helvetica Bold, 50 Punkt.(Text, deutsch: Den verehrten Pensionsgaesten wird unterbreitet, dass jede Aenderung der Vereinbarungen zusaetzliche Kosten verursacht.)
Und, Monsieur, bitte sehr, Sonderwünsche müssen wir gesondert berechnen, wollen Sie auf dem Ei bestehen? Eier dürfen nach der französischen Rechtslage nur hart gekocht dem Gast verabreicht werden. Und bedenken Sie, Monsieur, la cholesterine!
mh bekommt etwas verschwörerisches in die fein ziselierten Linien des einst so ... Gesichts.
Überall ist dieses Zeug drin wenn man alles zusammenrechnet ist man in der Woche zwanzig Eier und mehr dabei soll man nur höchstens zwei nehmen damit man gesund bleibt. Ich sehe Sie gerne hier, aber finden sie nicht, wenn man die Wahl hätte ...
mh ab hinter die Schwingklappe.
Erscheint sofort wieder.
mh: Mein Haus ist untröstlich, aber die bestellten Eier kommen erst gegen Mittag.
Ein anderer Gast, es sind deren etwa ein Dutzend (zusammen um die Tausend Jahre alt) schattenhaft vergegenwärtigt, wagt ein akustisches Zeichen:
Anderer Gast: Mada ...
mh (zuckrig): Je ne pense qu’à vous, Monsieur.
mh zu Gast (zwischen den Zähnen) : Würden Sie sich, Monsieur, bitte entscheiden ... Meine (Lebens-) Zeit ist beschränkt und ich habe noch andere Gäste.
mh nimmt das Messer vom Teller und stellt den Originalzustand wieder her.
Gast resigniert: Bitte, Madame, ich überlasse Ihnen mein Leben. Tun Sie, was Sie für gut halten.
mh: Schämen Sie sich, das ist eine ernste Sache, darüber macht man sich nicht lustig. Die Menschen kommen hier her nach Lourdes, weil sie in Not sind und da kommen Sie und wollen ein weiches Ei.
Enteilt in die Küche und bringt ein Körbchen mit 1 Croissant, 3 kleinen Baguettescheiben und 2 Zwiebacks,1 Kännchen ganz schwarzen Kaffee und 1 putziges Kännchen mit warmer H-Milch.
In der kleinen Pause hat der Gast Tasse und Teller wieder auseinandergenommen. In der Tasse befinden sich zwei (mitgebrachte) Tabletten Süssstoff.
mh (kommt vorbei, beglückt, wie es scheint, sieht den Suessstoff in der Tasse): Sind Monsieur zufrieden. Oh, verzeihen Sie die Unaufmerksamkeit, ich bringe Ihnen eine frische Tasse.
Nimmt mit Schwung die Tasse und stellt Sekunden danach eine frische Tasse auf den Teller, wo sie ja hingehört.
Der Gast vermutet nicht zu Unrecht, dass die Süßstofftabletten gesammelt und bei Nachfrage verabreicht werden.
Der Gast schlürft den grauen Sud, vereinigt angesichts der völligen Niederlage lustlos Konfitüre mit Butter und Baguette, zerrupft das Croissant und entschwindet ins Zimmer, wo er noch etwas dunkles Brot, Roquefort, Schinken, Orangen mit Ingwer- Konfitüre und eine halbe Flasche Rotwein gebunkert hat. Dann kann der Sonntag beginnen.
Bei Weltgerichtsszenen auf den Tümpanönern mittelalterlicher Kathedralen sind zur Linken des Wiederkommenden die Verdammten dargestellt, die Quälgeister und der Namenlose selbst. Dort meine ich auch immer zwieder mh zu erkennen. Um das möglichst lange zu genießen, hole ich mir beim naechsten Mal aus der Kirche einen Stuhl.
Es ist kurz vor zehn, draußen tobt ein Hupkonzert. Vor meiner Zimmertüre toben die Reinemachefrauen mit Staubsaugern und Schlüsseln. Ich warte auf einen vorbeifahrenden Zug.
Lourdes ist sehr geschäftig, etwas dreckig, noch nicht ganz in der Zeit angekommen. Die Einrichtungen des Wallfahrtsbetriebs dagegen schon. Moderne Architektur, dahinter tüchtige Infrastruktur, um die Menschen der Weltkirche zu betreuen. Unglaublich viel ehrenamtliches Engagement wird mitgebracht. Ich habe deutsche Betreuer gefragt. Sie bekommen die Fahrt und die Unterkunft in Gemeinschaftsquartieren. Manche bezahlen einen Beitrag fürs Essen.
Unter dem grossen gruen-gelben Fleck auf dem Foto befindet sich eine unterirdische Kirche, die 22000 Menschen fasst.
Die Festung ist ein Muss! Die Aufbereitung als Museum ist fürchterlich, aber die Exponate zum Thema Ethnologie der Pyrenäen lohnen die 5 Euro.
Ein bisschen weiter unten gibt es ein Marokanisches Restaurant „Fantasie“, wo ich mir einen sehr gelungenen Couscous Royale einverleibt habe. Abends, versteht sich, und vor der Prozession.
Sonntag! Um sieben stoße ich die eisernen Faltläden auf. Über das trostlose Hotelhinterleben mit den Bahngeleisen und den immerwährenden Straßengeräuschechos, die von allen Seiten kommen, hat sich ein strahlender Sonntagshimmel gelegt. Ich beschließe: Lourdes angucken und sehen, wie ich mich in die Gavarnie, den Pyrenäenzirkus bewegen kann. Zuvor aber doch anderes:
Anmerkungen zum französischen Frühstück, Sonntag, 8 Uhr 15 (comédie tragique, Entwurf)
Die Frage nach dem Getränk läuft immer auf schwarzen Kaffee mit etwas Milch hinaus. Also:
Die Requisite hat auf dem Tischlein eine große braune Tasse samt Untertasse und dazwischen eingezirkelter Papierserviette abgestellt. Dazu ein verchromter Untersetzer (Blechschmiedekunst Jugendstil), ein Schnapsglas mit pürierter Pflaumenkonfitüre und ein 10 Gramm Butterstückchen. Ein Kaffeelöffel bei der Konfitüre, ein Messer bei der Tasse.
Maître d’hôtel (mh, Besitzerin, sehr aufgeräumte Mittsechzigerin, unaufgeregte, absolute Autorität): Bonjour, Monsieur! Was möchten Sie trinken? Schwarzen Kaffee? Wie immer?
Gast: Ich ziehe sonntags eine tisane (so etwas wie z. B. Lindenblütentee) vor, etwas leichtes, bitte, ohne Milch. Und hätten Sie mir zur Feier des Tages vielleicht ein weiches Ei?! Bitte, Madame, es ist doch Sonntag, Madame.
(Das Ausrufezeichen erspare ich mir, weil durch das Aussprechen des utopischen Wunsches der Druck auf die Geschmackspapillen bereits nachgelassen hat.)
Gast lächelt etwas blöde und mit wässerndem Auge.
mh: Recht gerne, haben Sie sonst noch einen Wunsch?
Gast: Nein, damit könnten Sie mich glücklich machen!
mh verschwindet hinter Klapptüre.
Gast nimmt Tasse und Teller auseinander für das zu erwartende Brot oder Kuchen.
mh kommt augenblicklich wieder dahinter hervor.
mh (mit lockerer Handhaltung, so als wollte Sie einem wenig geschätzten Kollegen zeigen, wo die Türe ist): Da fällt mir ein, Monsieur, dass uns gestern die sachets de tisane ausgegangen sind. Hat Ihnen der Kaffee gestern nicht zugesagt?
Ihre Stimme bekommt eine nicht identifizierbare, dennoch schärfere Färbung, das Kinn hebt sich leicht. Und mit einer müde wirkenden Handgeste auf ein ordentlich gerahmtes Textbild in Helvetica Bold, 50 Punkt.(Text, deutsch: Den verehrten Pensionsgaesten wird unterbreitet, dass jede Aenderung der Vereinbarungen zusaetzliche Kosten verursacht.)
Und, Monsieur, bitte sehr, Sonderwünsche müssen wir gesondert berechnen, wollen Sie auf dem Ei bestehen? Eier dürfen nach der französischen Rechtslage nur hart gekocht dem Gast verabreicht werden. Und bedenken Sie, Monsieur, la cholesterine!
mh bekommt etwas verschwörerisches in die fein ziselierten Linien des einst so ... Gesichts.
Überall ist dieses Zeug drin wenn man alles zusammenrechnet ist man in der Woche zwanzig Eier und mehr dabei soll man nur höchstens zwei nehmen damit man gesund bleibt. Ich sehe Sie gerne hier, aber finden sie nicht, wenn man die Wahl hätte ...
mh ab hinter die Schwingklappe.
Erscheint sofort wieder.
mh: Mein Haus ist untröstlich, aber die bestellten Eier kommen erst gegen Mittag.
Ein anderer Gast, es sind deren etwa ein Dutzend (zusammen um die Tausend Jahre alt) schattenhaft vergegenwärtigt, wagt ein akustisches Zeichen:
Anderer Gast: Mada ...
mh (zuckrig): Je ne pense qu’à vous, Monsieur.
mh zu Gast (zwischen den Zähnen) : Würden Sie sich, Monsieur, bitte entscheiden ... Meine (Lebens-) Zeit ist beschränkt und ich habe noch andere Gäste.
mh nimmt das Messer vom Teller und stellt den Originalzustand wieder her.
Gast resigniert: Bitte, Madame, ich überlasse Ihnen mein Leben. Tun Sie, was Sie für gut halten.
mh: Schämen Sie sich, das ist eine ernste Sache, darüber macht man sich nicht lustig. Die Menschen kommen hier her nach Lourdes, weil sie in Not sind und da kommen Sie und wollen ein weiches Ei.
Enteilt in die Küche und bringt ein Körbchen mit 1 Croissant, 3 kleinen Baguettescheiben und 2 Zwiebacks,1 Kännchen ganz schwarzen Kaffee und 1 putziges Kännchen mit warmer H-Milch.
In der kleinen Pause hat der Gast Tasse und Teller wieder auseinandergenommen. In der Tasse befinden sich zwei (mitgebrachte) Tabletten Süssstoff.
mh (kommt vorbei, beglückt, wie es scheint, sieht den Suessstoff in der Tasse): Sind Monsieur zufrieden. Oh, verzeihen Sie die Unaufmerksamkeit, ich bringe Ihnen eine frische Tasse.
Nimmt mit Schwung die Tasse und stellt Sekunden danach eine frische Tasse auf den Teller, wo sie ja hingehört.
Der Gast vermutet nicht zu Unrecht, dass die Süßstofftabletten gesammelt und bei Nachfrage verabreicht werden.
Der Gast schlürft den grauen Sud, vereinigt angesichts der völligen Niederlage lustlos Konfitüre mit Butter und Baguette, zerrupft das Croissant und entschwindet ins Zimmer, wo er noch etwas dunkles Brot, Roquefort, Schinken, Orangen mit Ingwer- Konfitüre und eine halbe Flasche Rotwein gebunkert hat. Dann kann der Sonntag beginnen.
Bei Weltgerichtsszenen auf den Tümpanönern mittelalterlicher Kathedralen sind zur Linken des Wiederkommenden die Verdammten dargestellt, die Quälgeister und der Namenlose selbst. Dort meine ich auch immer zwieder mh zu erkennen. Um das möglichst lange zu genießen, hole ich mir beim naechsten Mal aus der Kirche einen Stuhl.
Es ist kurz vor zehn, draußen tobt ein Hupkonzert. Vor meiner Zimmertüre toben die Reinemachefrauen mit Staubsaugern und Schlüsseln. Ich warte auf einen vorbeifahrenden Zug.
Lourdes ist sehr geschäftig, etwas dreckig, noch nicht ganz in der Zeit angekommen. Die Einrichtungen des Wallfahrtsbetriebs dagegen schon. Moderne Architektur, dahinter tüchtige Infrastruktur, um die Menschen der Weltkirche zu betreuen. Unglaublich viel ehrenamtliches Engagement wird mitgebracht. Ich habe deutsche Betreuer gefragt. Sie bekommen die Fahrt und die Unterkunft in Gemeinschaftsquartieren. Manche bezahlen einen Beitrag fürs Essen.
Unter dem grossen gruen-gelben Fleck auf dem Foto befindet sich eine unterirdische Kirche, die 22000 Menschen fasst.
Die Festung ist ein Muss! Die Aufbereitung als Museum ist fürchterlich, aber die Exponate zum Thema Ethnologie der Pyrenäen lohnen die 5 Euro.
Ein bisschen weiter unten gibt es ein Marokanisches Restaurant „Fantasie“, wo ich mir einen sehr gelungenen Couscous Royale einverleibt habe. Abends, versteht sich, und vor der Prozession.
Cahors – Lauzerte – Moissac – Lourdes
zwanzig – sechs
Abschied von Mélaine, Pierrot und Louka
Bei meinen Gastgebern in der rue des Jacobins werden die Menschen ausgeräumt. Zuerst geht Philippe Bontemps, Mitschläfer, Vater von drei Söhnen, mit prächtigem Körperbau, so um die 45, aus dem Norden (Aisne). Er zeigt mir seine Operationsnarben. Über Schenkel und Hintern in den Rücken hinein eine Geheimkarte der Anatomie. Sieht aus wie die Schnittmuster bei den Metzgern, Schweine, Schafe, Rinder. Die beiden älteren Söhne sind selbständig und irgendwie versorgt, um sie macht er sich keine Sorgen. Gerne hätte er gesehen, dass auch sein Jüngster was ordentliches macht. Der hat aber keine Lust selbst zu arbeiten, kriegt über vierhundert € Sozialhilfe pro Monat. Dafür schafft die schwarze Freundin, den Rest darf man sich ausmalen, was sie tut. Als er geht, wünsche ich ihm bon chemin! Ultreja! (sprich: ültreia!), er grinsend: à toi aussi, Nutella! (sprich: nüteia!) Aldous Huxley hat mit Ford sei Dank eine ähnliche Konstruktion gewagt! Vielleicht trägt die Kombination aus beidem dazu bei, dass sein Jüngster doch noch auf die Reihe kommt. En tout cas: Allzeit gut Nutella! Damit liesse sich mancher Frust niederringen!
Die beiden Elsässer aus Mühlhouse sind die nächsten. Die beiden Männer wandern seit vielen Jahren zusammen und haben sich den Weg vorgenommen, weil sie die vorhandene Infrastruktur schätzen. Sie gehen diejenigen Abschnitte, die im Rother-Guide als landschaftlich reizvoll beschrieben werden. Von Kirchen und Kultur wollen sie nichts wissen und wollen auch keine Zeit damit vergeuden. Ordentlich schwitzen und den lebendigen Körper spüren. Warum dann einen Pilgerweg?
Die vorletzten sind Opa (78), Sohn (40) und Neffe/Enkel (22) aus der Gegend von Narbonne . Der Sohn ist Véganer (überhaupt treffe ich auffallend viele davon auf dem Weg!), weil die Mutter Haustiere geschlachtet hat, die er liebte, Hasen, vor allem. Iss nichts, was Augen hat, ist seine Devise. Damit habe ich auch schon geflirtet. Sie sind die ersten, die eine weltanschauliche Motivation haben und ihr religiöses Interesse auch mitteilen. Der Sohn ist areligiös, geht aber mit, weil er für den Vater die Last mitträgt, ebenso wie der Enkel. An ihm reiben sich die beiden anderen. Als ich die drei beim Pont de Valentré noch einmal treffe, machen sie nur eine Fotopause, um danach über die Frage weiter zu streiten, ob Wanderschaft und Gottesglaube sich einander bedingen. Für den Fall, dass er ernsthaft befürchten müsse, bei der Pilgerschaft gläubig zu werden, würde lieber wieder heimfahren. Meint der Sohn, aber wer trägt dann den Rucksack!
Der Letzte bin ich. Fotos, Küsschen, Abfahrt. Zum ersten Mal bin ich nicht schweißgebadet. Hab ich was richtig gemacht? Faengt der Weg an, sich bei mir auszuwirken?
Pierrot öffnet das Hoftor. En route!
Knapp zwei Stunden später stelle ich das Moped in Lauzerte, einer märchenhaften, mittelalterlich wirkenden Bergstadt ab. Eines der schönsten Dörfer Frankreichs! Es ist Markttag.
Überall englische Touristen. Ich erwerbe ein Schälchen gelbe und rote Himbeeren, mit ein paar schwarzen Kirschen und Brombeeren. Die Frau bittet mich, das Schälchen zurückzubringen, wenn es leer ist. Etwas weiter verkauft eine junge, sehr aparte Frau selbstgebackenes Kastenbrot aus Vollkornmehlen. Auf den ersten Blick ähnelt sie Anne, in Größe und Raumbedarf, aber das Gesicht hat etwas unbestimmt-südliches, und doch kühles, was vielleicht eher seelische Ursprünge hat. In meinem Roman ist ihr Mann ein Hanswurst und kann allenfalls zu gelegentlicher Verzweiflungsarbeit überredet werden. Die Kinder werden von der Nachbarin beaufsichtigt, die selber in ähnlicher Not ist. Sie schneidet meinen halben Kasten gleich in Scheiben. Das passt. Im Café du Commerce entdeckt man des Pudels Kern. Das Städtchen war mal englisch besetzt und ist auch heute noch fest in englischer Hand.
Wenn man einen Café nimmt kriegt man auf Nachfrage eine Codenummer und kann sich in einen Hotspot einklinken und kostenfrei surfen. Bei meinem Moped ist unterdessen ein großer Auflauf. Eine Frau (von mir eigenäugig beobachtet) hat ihr Auto so hingestellt, dass es eine Toreinfahrt blockiert, in der ein Auto mit abfahrwilliger Fahrerin steht. Obwohl man das nicht verschlossene Auto hin und herschiebt, kommt nicht die notwendige Lücke zustande.
Schließlich treibt man den Fahrer des Vorderautos auf, der fährt weg und ich parke dann das Deliktwägelchen in den Blumen eines Gärtnerladens. Die Menschentraube zerstreut sich. Ich habe etwas für den Ruhm des Vaterlandes getan. Beim Wegfahren erscheint seelenruhig die Delinquentin, eine hübsch verpackte Vierzigerin, besteigt das Vehikel und braust davon. Niemand ist mehr da, der sich dafuer interessiert.
Dann Moissac. Bis 14 Uhr will ich bleiben, weil ich den Stempel im Credencial haben will. Es ist richtig warm geworden, ich packe an einer Parkbank mein Essen aus, als sich ein Mann um die vierzig vor mir aufbaut und sagt: Ich habe die Muschel auf Ihrem Rucksack gesehen! Es ist Svend aus Bergisch-Gladbach. Er ist in Le Puy aufgebrochen und hat trotz seiner guten Physis Schwierigkeiten mit einem Knie. Wir diskutieren, was man machen kann. Der Weg erzeugt Herausforderungen, die jeder auf seine Weise beantwortet. Auf jeden Fall so scheint mir hat die Körperorientierung gegenüber der spirituellen oder juristisch-sozialen heute einen höheren Stellenwert als früher. Es könnte aber auch sein, dass der Weg einer Art horizontalem Bergsteigen gleichkommt. Am Gipfel ankommen erzeugt auch eine fast mystische Verfas-sung. Die organisatorischen Vorzüge meiner Kombination von Fußwanderung und Motorrad-reise gefallen meinem Gesprächspartner, ebenso die Überlegungen zu Reisepartner-schaft und Einstellungsfragen. Ein anderes Thema ist dieses allein gehen und abends Leute treffen. Die Paare, die ich getroffen habe, gehen zwar zusammen, es gibt aber oft unterschiedliche Meinungen darüber, ob das gut ist. Wenn ich als Arbeitshypo-these unterscheiden möchte, dann ist Pilgern eine individuelle Weg-Gehe-Form, Wallfahren eine soziale Übung. Die Zweier-Form hat beides, aber nicht in optimaler Weise. Es gibt auch eine Entsprechung im Zen. Der Denkweg der Koans ähnelt dem Denken beim Pilgerwandern. Der einmal gewonnene Rhythmus lässt das Bewusstsein schon mal leer laufen! Die Befreiung vom bewussten Vorhandensein des Ich ist sehr wohltuend und erholsam.
Aber das sind Dinge, die wir nicht besprochen haben.
Svend bleibt im Gîte, um zwei bekomme ich meinen Stempel und reise in Richtung Lourdes ab, wo ich kurz vor sieben ankomme. Unweit von Grotte und Platz finde ich ein Hotel und bezahle für zwei Übernachtungen. Das Moped kann ich in einer ueberaus komischen Szene am Hotel abstellen, die Inhaberin selbst bestimmt die Abstaende zu Haus und anderen Autos auf den Millimeter, indem sie groteske Spruenge mit zusammen-gekniffenen Augen kombiniert (s. auch Anmerkungen zum Fruehstueck).
Nach dem Abendessen beginnt wie jeden Abend eine Lichterprozession, an der ich teilnehme: Als Mitglied der Gruppe des Bayrischen Pilgerbüros, auf die ich genau zugehe. Was ich da erlebe, muss ich noch verarbeiten. Ich trage, den Rosenkranz mitbetend und mitsingend, einer namenlos gütigen Vermittlerin meine Anliegen vor und hoffe, dass es neben dem Dienstweg noch andere effiziente Kanäle für solche Dinge gibt. Zwei Frauen aus Lengfeld bei Marktheidenfeld nehmen sich meiner an und erklären mir alles, was man wissen muss.
Edith ist zuhause, hört ein bisschen mit. Ich besuche die Grotte und bin um elf im Bett.
Abschied von Mélaine, Pierrot und Louka
Bei meinen Gastgebern in der rue des Jacobins werden die Menschen ausgeräumt. Zuerst geht Philippe Bontemps, Mitschläfer, Vater von drei Söhnen, mit prächtigem Körperbau, so um die 45, aus dem Norden (Aisne). Er zeigt mir seine Operationsnarben. Über Schenkel und Hintern in den Rücken hinein eine Geheimkarte der Anatomie. Sieht aus wie die Schnittmuster bei den Metzgern, Schweine, Schafe, Rinder. Die beiden älteren Söhne sind selbständig und irgendwie versorgt, um sie macht er sich keine Sorgen. Gerne hätte er gesehen, dass auch sein Jüngster was ordentliches macht. Der hat aber keine Lust selbst zu arbeiten, kriegt über vierhundert € Sozialhilfe pro Monat. Dafür schafft die schwarze Freundin, den Rest darf man sich ausmalen, was sie tut. Als er geht, wünsche ich ihm bon chemin! Ultreja! (sprich: ültreia!), er grinsend: à toi aussi, Nutella! (sprich: nüteia!) Aldous Huxley hat mit Ford sei Dank eine ähnliche Konstruktion gewagt! Vielleicht trägt die Kombination aus beidem dazu bei, dass sein Jüngster doch noch auf die Reihe kommt. En tout cas: Allzeit gut Nutella! Damit liesse sich mancher Frust niederringen!
Die beiden Elsässer aus Mühlhouse sind die nächsten. Die beiden Männer wandern seit vielen Jahren zusammen und haben sich den Weg vorgenommen, weil sie die vorhandene Infrastruktur schätzen. Sie gehen diejenigen Abschnitte, die im Rother-Guide als landschaftlich reizvoll beschrieben werden. Von Kirchen und Kultur wollen sie nichts wissen und wollen auch keine Zeit damit vergeuden. Ordentlich schwitzen und den lebendigen Körper spüren. Warum dann einen Pilgerweg?
Die vorletzten sind Opa (78), Sohn (40) und Neffe/Enkel (22) aus der Gegend von Narbonne . Der Sohn ist Véganer (überhaupt treffe ich auffallend viele davon auf dem Weg!), weil die Mutter Haustiere geschlachtet hat, die er liebte, Hasen, vor allem. Iss nichts, was Augen hat, ist seine Devise. Damit habe ich auch schon geflirtet. Sie sind die ersten, die eine weltanschauliche Motivation haben und ihr religiöses Interesse auch mitteilen. Der Sohn ist areligiös, geht aber mit, weil er für den Vater die Last mitträgt, ebenso wie der Enkel. An ihm reiben sich die beiden anderen. Als ich die drei beim Pont de Valentré noch einmal treffe, machen sie nur eine Fotopause, um danach über die Frage weiter zu streiten, ob Wanderschaft und Gottesglaube sich einander bedingen. Für den Fall, dass er ernsthaft befürchten müsse, bei der Pilgerschaft gläubig zu werden, würde lieber wieder heimfahren. Meint der Sohn, aber wer trägt dann den Rucksack!
Der Letzte bin ich. Fotos, Küsschen, Abfahrt. Zum ersten Mal bin ich nicht schweißgebadet. Hab ich was richtig gemacht? Faengt der Weg an, sich bei mir auszuwirken?
Pierrot öffnet das Hoftor. En route!
Knapp zwei Stunden später stelle ich das Moped in Lauzerte, einer märchenhaften, mittelalterlich wirkenden Bergstadt ab. Eines der schönsten Dörfer Frankreichs! Es ist Markttag.
Überall englische Touristen. Ich erwerbe ein Schälchen gelbe und rote Himbeeren, mit ein paar schwarzen Kirschen und Brombeeren. Die Frau bittet mich, das Schälchen zurückzubringen, wenn es leer ist. Etwas weiter verkauft eine junge, sehr aparte Frau selbstgebackenes Kastenbrot aus Vollkornmehlen. Auf den ersten Blick ähnelt sie Anne, in Größe und Raumbedarf, aber das Gesicht hat etwas unbestimmt-südliches, und doch kühles, was vielleicht eher seelische Ursprünge hat. In meinem Roman ist ihr Mann ein Hanswurst und kann allenfalls zu gelegentlicher Verzweiflungsarbeit überredet werden. Die Kinder werden von der Nachbarin beaufsichtigt, die selber in ähnlicher Not ist. Sie schneidet meinen halben Kasten gleich in Scheiben. Das passt. Im Café du Commerce entdeckt man des Pudels Kern. Das Städtchen war mal englisch besetzt und ist auch heute noch fest in englischer Hand.
Wenn man einen Café nimmt kriegt man auf Nachfrage eine Codenummer und kann sich in einen Hotspot einklinken und kostenfrei surfen. Bei meinem Moped ist unterdessen ein großer Auflauf. Eine Frau (von mir eigenäugig beobachtet) hat ihr Auto so hingestellt, dass es eine Toreinfahrt blockiert, in der ein Auto mit abfahrwilliger Fahrerin steht. Obwohl man das nicht verschlossene Auto hin und herschiebt, kommt nicht die notwendige Lücke zustande.
Schließlich treibt man den Fahrer des Vorderautos auf, der fährt weg und ich parke dann das Deliktwägelchen in den Blumen eines Gärtnerladens. Die Menschentraube zerstreut sich. Ich habe etwas für den Ruhm des Vaterlandes getan. Beim Wegfahren erscheint seelenruhig die Delinquentin, eine hübsch verpackte Vierzigerin, besteigt das Vehikel und braust davon. Niemand ist mehr da, der sich dafuer interessiert.
Dann Moissac. Bis 14 Uhr will ich bleiben, weil ich den Stempel im Credencial haben will. Es ist richtig warm geworden, ich packe an einer Parkbank mein Essen aus, als sich ein Mann um die vierzig vor mir aufbaut und sagt: Ich habe die Muschel auf Ihrem Rucksack gesehen! Es ist Svend aus Bergisch-Gladbach. Er ist in Le Puy aufgebrochen und hat trotz seiner guten Physis Schwierigkeiten mit einem Knie. Wir diskutieren, was man machen kann. Der Weg erzeugt Herausforderungen, die jeder auf seine Weise beantwortet. Auf jeden Fall so scheint mir hat die Körperorientierung gegenüber der spirituellen oder juristisch-sozialen heute einen höheren Stellenwert als früher. Es könnte aber auch sein, dass der Weg einer Art horizontalem Bergsteigen gleichkommt. Am Gipfel ankommen erzeugt auch eine fast mystische Verfas-sung. Die organisatorischen Vorzüge meiner Kombination von Fußwanderung und Motorrad-reise gefallen meinem Gesprächspartner, ebenso die Überlegungen zu Reisepartner-schaft und Einstellungsfragen. Ein anderes Thema ist dieses allein gehen und abends Leute treffen. Die Paare, die ich getroffen habe, gehen zwar zusammen, es gibt aber oft unterschiedliche Meinungen darüber, ob das gut ist. Wenn ich als Arbeitshypo-these unterscheiden möchte, dann ist Pilgern eine individuelle Weg-Gehe-Form, Wallfahren eine soziale Übung. Die Zweier-Form hat beides, aber nicht in optimaler Weise. Es gibt auch eine Entsprechung im Zen. Der Denkweg der Koans ähnelt dem Denken beim Pilgerwandern. Der einmal gewonnene Rhythmus lässt das Bewusstsein schon mal leer laufen! Die Befreiung vom bewussten Vorhandensein des Ich ist sehr wohltuend und erholsam.
Aber das sind Dinge, die wir nicht besprochen haben.
Svend bleibt im Gîte, um zwei bekomme ich meinen Stempel und reise in Richtung Lourdes ab, wo ich kurz vor sieben ankomme. Unweit von Grotte und Platz finde ich ein Hotel und bezahle für zwei Übernachtungen. Das Moped kann ich in einer ueberaus komischen Szene am Hotel abstellen, die Inhaberin selbst bestimmt die Abstaende zu Haus und anderen Autos auf den Millimeter, indem sie groteske Spruenge mit zusammen-gekniffenen Augen kombiniert (s. auch Anmerkungen zum Fruehstueck).
Nach dem Abendessen beginnt wie jeden Abend eine Lichterprozession, an der ich teilnehme: Als Mitglied der Gruppe des Bayrischen Pilgerbüros, auf die ich genau zugehe. Was ich da erlebe, muss ich noch verarbeiten. Ich trage, den Rosenkranz mitbetend und mitsingend, einer namenlos gütigen Vermittlerin meine Anliegen vor und hoffe, dass es neben dem Dienstweg noch andere effiziente Kanäle für solche Dinge gibt. Zwei Frauen aus Lengfeld bei Marktheidenfeld nehmen sich meiner an und erklären mir alles, was man wissen muss.
Edith ist zuhause, hört ein bisschen mit. Ich besuche die Grotte und bin um elf im Bett.
Freitag, 19. Juni 2009
In Cahors
neunzehn – sechs
Mélaine mag zwar keine besondere Frühstückskünstlerin sein, aber die selbstgemachten Konfitüren aus Zitronen, Orangen und Erdbeeren sind wegen der Gewürze etwas ganz besonderes.
Um halbzehn haben wir uns noch mal getroffen. Eine rechte Abschiedsstimmung hat sich dabei eingestellt. Jeder geht jetzt seiner Wege. Auch ich rechne nicht mehr damit, Dieter zu begegnen. Obwohl alles geregelt erscheint mit dem Transport seines Wägelchens, kommt es mir vor, als sei da noch Störung drin. Wichtig aber ist, dass wir den Mann wieder aufgerichtet haben. Er hat über ein halbes Jahr im Spital gelegen, operiert am Hals und an den Nieren. Seine Frau wurde gerufen, weil er nach Meinung der Ärzte am Ende war. Er hat durchgehalten und ist heute gesund ... Santiago ist die logische Folge.
Bis alles auf dem richtigen Weg ist, ist es Mittag geworden. Ich bleibe in Cahors und schaue mir die Stadt ordentlich an. Den großen Barbakan und die Burg Johannes XXII und das Haus Heinrichs IV. Den spektakulären Pont de Valentré, das Wahrzeichen von Cahors, habe ich mir für die Ausfahrt vorbehalten. Unter dem großen Stadtplatz hat man die Reste des römischen Amphitheaters sehr attraktiv konserviert und in die Tiefgarage integriert. Auch die Kathedrale lohnt einen Blick, wobei die Halle des Langhauses mit zwei gewaltigen Kuppeln aufwartet, davon die westliche ausgemalt ist. Wenn auch etwas flau und undramatisch. Obwohl mir der Kreuzgang bekannt war, ist zu spueren, dass man nicht recht stolz ist auf diesen Teil der Anlage. Wenn er einmal restauriert sein wird, wird er nicht mehr authentisch sein. 100 Meter daneben ist eine Markthalle mit regionalen Produkten prall abgefüllt. Es riecht darin wie im Paradies. Eine besondere Rolle spielen dabei die Weine aus Cahors, ein auch unter weinwirtschaftsgeschichtlichen Aspekten interessantes Thema.
Der Tag hier hat sich auch deshalb gelohnt, weil es mir gelungen ist, in einem Kurzwarenladen zwei dunkelblaue Gummibänder zur Zurueckhaltung meiner Haupthaare zu erstehen, die wenige Meter später von einer Straßennäherin zusammengenäht wurden. Ich beschließe den Arbeitstag mit Schreiben und Nachdenken.
Oder vielleicht besser: Wenn mich Louka, der kleine Sohn der Herbergseltern laesst! Er fuehlt sich vom Moped sehr angesprochen und steht eben neben mir und produziert eine Art Motorgeraeusch, dass Leute wie Schumacher in die Flucht schlagen wuerde. Bei der Abfahrt wird ein Foto gemacht. Il sera très contant ...
Beim Abendessen geht es um Haustiere und das Pilgern mit Pferd
Mélaine mag zwar keine besondere Frühstückskünstlerin sein, aber die selbstgemachten Konfitüren aus Zitronen, Orangen und Erdbeeren sind wegen der Gewürze etwas ganz besonderes.
Um halbzehn haben wir uns noch mal getroffen. Eine rechte Abschiedsstimmung hat sich dabei eingestellt. Jeder geht jetzt seiner Wege. Auch ich rechne nicht mehr damit, Dieter zu begegnen. Obwohl alles geregelt erscheint mit dem Transport seines Wägelchens, kommt es mir vor, als sei da noch Störung drin. Wichtig aber ist, dass wir den Mann wieder aufgerichtet haben. Er hat über ein halbes Jahr im Spital gelegen, operiert am Hals und an den Nieren. Seine Frau wurde gerufen, weil er nach Meinung der Ärzte am Ende war. Er hat durchgehalten und ist heute gesund ... Santiago ist die logische Folge.
Bis alles auf dem richtigen Weg ist, ist es Mittag geworden. Ich bleibe in Cahors und schaue mir die Stadt ordentlich an. Den großen Barbakan und die Burg Johannes XXII und das Haus Heinrichs IV. Den spektakulären Pont de Valentré, das Wahrzeichen von Cahors, habe ich mir für die Ausfahrt vorbehalten. Unter dem großen Stadtplatz hat man die Reste des römischen Amphitheaters sehr attraktiv konserviert und in die Tiefgarage integriert. Auch die Kathedrale lohnt einen Blick, wobei die Halle des Langhauses mit zwei gewaltigen Kuppeln aufwartet, davon die westliche ausgemalt ist. Wenn auch etwas flau und undramatisch. Obwohl mir der Kreuzgang bekannt war, ist zu spueren, dass man nicht recht stolz ist auf diesen Teil der Anlage. Wenn er einmal restauriert sein wird, wird er nicht mehr authentisch sein. 100 Meter daneben ist eine Markthalle mit regionalen Produkten prall abgefüllt. Es riecht darin wie im Paradies. Eine besondere Rolle spielen dabei die Weine aus Cahors, ein auch unter weinwirtschaftsgeschichtlichen Aspekten interessantes Thema.
Der Tag hier hat sich auch deshalb gelohnt, weil es mir gelungen ist, in einem Kurzwarenladen zwei dunkelblaue Gummibänder zur Zurueckhaltung meiner Haupthaare zu erstehen, die wenige Meter später von einer Straßennäherin zusammengenäht wurden. Ich beschließe den Arbeitstag mit Schreiben und Nachdenken.
Oder vielleicht besser: Wenn mich Louka, der kleine Sohn der Herbergseltern laesst! Er fuehlt sich vom Moped sehr angesprochen und steht eben neben mir und produziert eine Art Motorgeraeusch, dass Leute wie Schumacher in die Flucht schlagen wuerde. Bei der Abfahrt wird ein Foto gemacht. Il sera très contant ...
Beim Abendessen geht es um Haustiere und das Pilgern mit Pferd
Von Sénergues nach Rocamadour nach Cahors
achtzehn – sechs
Der Tag endete mit der größtmöglichen Überraschung: Im Gîte des Jacobins in Cahors sitze ich mit einem Steirer (65) beim Abendessen. Ein zäher Raucher, ehemaliger Telekompostler, der trotz Kehlkopftotaloperation weiterraucht. Ich zeige ihm, wie er den Bildkatalog seiner neuen Kamera aufrufen kann und blättere einige Bilder zur Demo zurück. Und da taucht unter den Bildern Stephanie vom vergangenen Freitag in Golinhac auf. Er wird sich mit ihr und Suzan in einer halben Stunde treffen. Dann heißt auch er Dieter. Wir sind nur noch am Staunen. Gewiss haben die Wahrscheinlichkeiten andere Eigenschaften, aber es kommt wirklich heftig. Wiederum haben sich andere kleine zeitweilige Wandergemeinschaften gebildet und dabei besondere Leute gesichtet. Wie z. B. den Fußlahmen, der fröhlich mit einer Sandale am rechten extrem geschwollenen Fuß daherkommt, den anderen Wanderschuh außen am Rucksack baumeln lässt, als Symbol der jederzeitigen Einholbarkeit, wenn er nur je wieder passen sollte. Und Dieter aus Graz mit seiner Konstruktion aus Hebergürtel und Fahrradanhänger.
Im Café de la Comedie haben wir uns lange und viel zu erzählen. Wir kommen aus dem Staunen über unsere Beobachtungen nicht heraus, immer neue Seltsamkeiten stellen sich heraus. Keiner hat Lust, diese Dinge mit dem Zufall zu verstehen. Z. B. müssen auch die Zeitfenster zusammenpassen. Was bringts, wenn man zu unterschiedlichen, falschen Zeiten am richtigen Ort ist?
Statt um zwölf wie vorgehabt, bin ich schon um halbelf auf der Straße, weil Bénoit nicht da ist und deshalb der Internetraum nicht zur Verfügung steht.
Ich komme gut voran, mache eine kleine Pause in der Bastide Rudelles (mit einer spaetgotischen Kirchenfestung. Bastiden sind ein militaergeschichtliches Sonderthema im suedfranzoesischen Raum)und bin kurz nach eins wieder voll betankt in Rocamadour. Ich stelle das Moped auf einem öffentlichen Parkplatz ab und steige die endlosen Treppen hinauf. Die warme Motorradbekleidung und die schwüle Luft treiben den Schweiß aus mir heraus. Aber meine Bitte kann ich der geheimnisvollen Gestalt doch vortragen. Schon während der Fahrt habe ich mir überlegt, wie ich einer zweitausend Jahre alten Gottesmutter mein Anliegen klar machen kann. Und warum ich und nicht die Mutter selbst. Wie fange ich an? Sie ist ja nie formell heilig gesprochen worden, sie ist es wohl einfach. Sie wird wissen, was ich meine! Hoffe ich! Auch an Heidi ist zu denken, die frisch operiert im Krankenhaus liegt und ein schweres Päckchen zu tragen hat.
Auf dem Weg nach Cahors erreiche ich Edith.
Der neue gîte, in dem ich wohnen will, ist im Office de tourisme gut bekannt. Ein tiefes décolleté meldet mich bei Mélaine, einer gebuertigen Koreanerin und Pierre André samt Soehnchen Louka an. Halbpension und so.
Und dann erscheint Dieter auf der Plattform: s.o.
Der Tag endete mit der größtmöglichen Überraschung: Im Gîte des Jacobins in Cahors sitze ich mit einem Steirer (65) beim Abendessen. Ein zäher Raucher, ehemaliger Telekompostler, der trotz Kehlkopftotaloperation weiterraucht. Ich zeige ihm, wie er den Bildkatalog seiner neuen Kamera aufrufen kann und blättere einige Bilder zur Demo zurück. Und da taucht unter den Bildern Stephanie vom vergangenen Freitag in Golinhac auf. Er wird sich mit ihr und Suzan in einer halben Stunde treffen. Dann heißt auch er Dieter. Wir sind nur noch am Staunen. Gewiss haben die Wahrscheinlichkeiten andere Eigenschaften, aber es kommt wirklich heftig. Wiederum haben sich andere kleine zeitweilige Wandergemeinschaften gebildet und dabei besondere Leute gesichtet. Wie z. B. den Fußlahmen, der fröhlich mit einer Sandale am rechten extrem geschwollenen Fuß daherkommt, den anderen Wanderschuh außen am Rucksack baumeln lässt, als Symbol der jederzeitigen Einholbarkeit, wenn er nur je wieder passen sollte. Und Dieter aus Graz mit seiner Konstruktion aus Hebergürtel und Fahrradanhänger.
Im Café de la Comedie haben wir uns lange und viel zu erzählen. Wir kommen aus dem Staunen über unsere Beobachtungen nicht heraus, immer neue Seltsamkeiten stellen sich heraus. Keiner hat Lust, diese Dinge mit dem Zufall zu verstehen. Z. B. müssen auch die Zeitfenster zusammenpassen. Was bringts, wenn man zu unterschiedlichen, falschen Zeiten am richtigen Ort ist?
Statt um zwölf wie vorgehabt, bin ich schon um halbelf auf der Straße, weil Bénoit nicht da ist und deshalb der Internetraum nicht zur Verfügung steht.
Ich komme gut voran, mache eine kleine Pause in der Bastide Rudelles (mit einer spaetgotischen Kirchenfestung. Bastiden sind ein militaergeschichtliches Sonderthema im suedfranzoesischen Raum)und bin kurz nach eins wieder voll betankt in Rocamadour. Ich stelle das Moped auf einem öffentlichen Parkplatz ab und steige die endlosen Treppen hinauf. Die warme Motorradbekleidung und die schwüle Luft treiben den Schweiß aus mir heraus. Aber meine Bitte kann ich der geheimnisvollen Gestalt doch vortragen. Schon während der Fahrt habe ich mir überlegt, wie ich einer zweitausend Jahre alten Gottesmutter mein Anliegen klar machen kann. Und warum ich und nicht die Mutter selbst. Wie fange ich an? Sie ist ja nie formell heilig gesprochen worden, sie ist es wohl einfach. Sie wird wissen, was ich meine! Hoffe ich! Auch an Heidi ist zu denken, die frisch operiert im Krankenhaus liegt und ein schweres Päckchen zu tragen hat.
Auf dem Weg nach Cahors erreiche ich Edith.
Der neue gîte, in dem ich wohnen will, ist im Office de tourisme gut bekannt. Ein tiefes décolleté meldet mich bei Mélaine, einer gebuertigen Koreanerin und Pierre André samt Soehnchen Louka an. Halbpension und so.
Und dann erscheint Dieter auf der Plattform: s.o.
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